Forum geschlossen!
Liebe Benutzer und Gäste des RogueWatches Forum.
Das Forum ist ab sofort für weitere Beiträge geschlossen.
Gnomonik: Polare Sonnenuhr, die Kreuzuhr von Johannes Gaupp (1708), Bastelbogen
- andi2
- Autor
- Offline
- Gebannt
- Beiträge: 944
- Thanks: 1452
Gnomonik: Polare Sonnenuhr, die Kreuzuhr von Johannes Gaupp (1708), Bastelbogen
13 Okt. 2022 10:15 - 13 Okt. 2022 10:29
Heute möchte ich euch allen eine Uhr schenken. Es ist ein Nachbau einer Sonnenuhr von Johannes Gaupp (1708). Der Entwurf stammt aus einem Buch Gaupps, den Tabulae Gnomonicae.Hier könnt ihr in einem Digitalisat des Buches blättern, es sind „Bastelbögen“ für einige Sonnenuhren enthalten. Die Entwürfe können ausgeschnitten, auf festen Graukarton oder Holz aufgeblockt und so zur Sonnenuhr ausgebaut werden.
www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10478673?page=221 ,
Dazu wäre noch zu sagen, dass Gaupps Buch mehrbändig war und wohl in einzelnen Portionen ausgegeben wurde. Ausserdem scheint es auch mindestens 2 verschiedene Ausgaben gegeben zu haben, denn die Kreuzuhr in diesem Digitalisat hat ein anderes Design als meine. Es gibt auch mehrere Digitalisate davon auf dem Netz. Die Bögen sind verschieden zusammengestellt, bei manchen Exemplaren fehlen Seiten, wohl weil sie entnommen und zu Uhren ausgebaut wurden. Falls man selbst eine solche Sonnenuhr oder ein anderes Gerät (wie etwa einen Quadranten von Peter Apian etc.) nachbauen will, empfiehlt es sich, alle verfügbaren Digitalisate zu vergleichen und das beste Bild des Gerätes unter den verfügbaren auszuwählen.
Ein weiteres Problem, das sich bei vielen der abfotografierten Tafeln bietet, sind Verzerrungen, meist dadurch, dass die abfotografierten Blätter nicht ganz plan ausgelegt wurden, sondern gewellt oder zerknittert sind, oder bei grösseren Tafeln, dass sie im Buch zusammengefaltet sind und Knicke aufweisen. Dadurch wird es oft unmöglich, bestimmte Abbildungen für eigene Geräte zu benutzen, denn die Winkel und Abstände der Linien müssen ja genau stimmen.Um dieses Problem einfach zu lösen, habe ich für mein Modell die Liniendiagramme und die Abmasse des Kreuzcorpus neu entworfen und mit dem Design Gaupps zusammengefügt. Die Uhr stimmt also genau, falls beim Zusammenkleben nicht gepfuscht wird.
Diese Sonnenuhr, die Kreuz-Sonnenuhr, kommt ohne Holz- oder Kartoncorpus aus. Die Bilder können heruntergeladen und auf möglichst festes (d.h. dickes und stabiles) Papier ausgedruckt werden. Um sicherzustellen, dass die einzelnen Bilder wirklich gleich gross ausgedruckt werden, und damit die Teile dann auch richtig zusammenpassen, hat jedes Bild aussen am Rand in den Ecken rote rechte Winkel. Um zu prüfen, ob die Bögen masstabsgetreu ausgedruckt wurden, legt man jeweils zwei Bögen aufeinander und hält sie dann gegen das Licht, z.B. gegen ein Fenster, damit das unten liegende Blatt halbtransparent durchscheint. Wenn sich die roten Winkel auf beiden Blättern zur Deckung bringen lassen, sind die Abbildungen masstabsgetreu (dies ist nötig, weil durch das Hochladen aufs Netz, das spätere Herunterladen und durch die Verarbeitung durch den Drucker evtl. Fehler in der Abbildungsgrösse resultieren). Die Uhr wird dann ausgeschnitten, gefaltet und die Teile zusammengeklebt. Oft gibt es bei solchen Faltmodellen Klebelaschen an dem Modell, die einfach auch abgefaltet werden. Da solche bereits mit dem Modell verbundene Klebelaschen aber oft zu Ungenauigkeiten führen, habe ich darauf verzichtet. Die Klebewinkel bei meinem Modell sind nicht schon mit dem Modell verbunden, sondern werden innen eingeklebt.
Es gibt einige verschiedene Typen von Sonnenuhren. Die sogenannte polare Sonnenuhr, die bei der Kreuzuhr verwirklicht wurde, ist wohl der Sonnenuhrentyp, der am einfachsten zu entwerfen ist. Bei einer polaren Sonnenuhr ist das Liniendiagramm universell, d.h. die gleiche Sonnenuhr kann an jedem Ort der Welt verwendet werden.
Ausrichtung der Sonnenuhr zu den Himmelsrichtungen:
Die Uhr wird so aufgestellt, dass die Spitze des Kreuzes nach Süden zeigt und der Fuss des Kreuzes nach Norden. Dadurch zeigen die beiden Kreuzarme nach Ost und West. Die Ausrichtung gelingt entweder mittels eines Magnetkompasses, oder dadurch, dass man die Uhr so aufstellt, dass sie die richtige wahre Ortszeit anzeigt.
Um die aktuelle wahre Ortszeit zu bestimmen, empfehle ich den „NOAA Solar Calculator“:
gml.noaa.gov/grad/solcalc/
Man muss auf der Seite unterhalb der Karte die eigene geographische Position (Longitude = geogr. Länge / Latitude = geogr. Breite) als Dezimalzahl eingeben. Zum Beispiel 47 einhalb Grad sind 47.5° und nicht 47° 30´, kein Komma, sondern einen Punkt benutzen. Bei der Zeitzone (UTC Offset) muss dann + 02:00 stehen. Der Mittagszeitpunkt „Solar Noon“ der wahren Ortszeit zeigt dann an, um welche Uhrzeit (UTC + 02:00) es an diesem Ort 12 Uhr (WOZ) ist.
Der Schattenwerfer einer Sonnenuhr wird „Gnomon“ genannt. Ist der Gnomon nach Süden ausgerichtet, so scheint die Sonne um 12 Uhr (wahre Ortszeit / Sonnenzeit) genau von oben auf ihn und der Gnomon wirft keinen Schatten auf das Zifferblatt (kein Schatten, Stundenwinkel 12:00 = 0°), eine Stunde später, um 13 Uhr, bzw. 1 Uhr pm (post meridiem) ist die Sonne um 15° in Richtung Westen gewandert (Stundenwinkel 13:00 = 15°) und der Gnomon wirft einen kurzen Schatten auf der Ostseite des Zifferblattes. Noch eine Stunde später, um 14:00, ist die Sonne wieder um weitere 15° westlich gewandert (Stundenwinkel 14:00 = 30°), der Schatten des Gnomon auf der Ostseite ist entsprechend länger geworden. Jede weitere Stunde wandert die Sonne um 15° weiter in westliche Richtung und der Schatten des Gnomon wird länger. Am Vormittag bietet sich ein gleiches Bild des Schattens, nur spiegelverkehrt. Bei dem nach Süden zeigenden Gnomon ist der Schatten um 10:00 gleich lang wie um 14:00, nur befindet er sich auf der entgegengesetzten, westlichen Seite des Gnomon (Stundenwinkel 10:00 = 30°), eine Stunde später, um 11:00, wenn die Sonne 15° auf der Ekliptik gewandert ist, hat sich der Schatten verkürzt und ist nun nur noch gleich lang wie um 13:00 (Stundenwinkel 11:00 = 15°). Wenn der Gnomon eine Stunde später, um 12:00, keinen Schatten wirft, ist der Stundenwinkel null Grad. Der Stundenwinkel null Grad liegt immer bei der Stunde, in die der Gnomon ausgerichtet ist. Der Gnomon einer polaren Sonnenuhr muss aber nicht immer nach Süden ausgerichtet sein. Bei der Kreuzsonnenuhr gibt es einen Gnomon, der nach Süden zeigt, sowie einen der nach Ost und einen der nach West zeigt. Bei dem östlichen Gnomon ist um 06:00 der Stundenwinkel 0°, dann jede Stunde 15° mehr (07:00 = Stundenwinkel 15°, 08:00 = Stundenwinkel 30°, 09:00 = Stundenwinkel 45° usw).
Das Liniendiagramm der Stundenlinien ist sehr leicht zu entwerfen. Der Abstand der Stundenlinien entspricht dem Tangens des jeweiligen Stundenwinkels (kann jeder Taschenrechner ausgeben). Der Stundenwinkel, der 3 Stunden von der Position des Gnomon entfernt liegt, beträgt 45°, der Tangens von 45 ist genau 1. Bei dieser Stunde, 3 Stunden östlich oder westlich der Gnomonposition, ist also der Schatten des Gnomon genau gleich lang wie der Gnomon hoch ist, anders gesagt, die Höhe des Gnomon muss gleich der Länge zwischen Stundenwinkel 0° und 45° sein. Ich benutze für solche Entwürfe gern das Programm Powerpoint (Microsoft Office). Man kann einfach den Tangens der Stundenlinien (0°, 15°, 30° usw.) z.B. mit dem Taschenrechner berechnen, die Linien auf den entsprechenden Abständen festlegen und am Ende das gesamte Liniendiagramm als Graphik (als JPEG oder PNG) speichern. Die Länge des Gnomon wird gleich dem Abstand der Stundenlinien der Stundenwinkel 0° bis 45° festgelegt. Wenn man einen Gnomon anderer Höhe verwenden will, muss man das Liniendiagramm nicht neu entwerfen, sondern man kann das vorhandene Diagramm verzerren (auseinanderziehen bzw. zusammenschieben). Ich werde das bald einmal als einfache Anleitung hier posten, aber im Moment geht das nicht, denn ich bin nicht zuhause und der Computer an dem ich hier arbeite, hat kein Powerpoint.
Die geometrische (zeichnerische) Konstruktion des Liniendiagramms ist ebenfalls einfach. Man zeichnet einen Kreisbogen, der in Winkelgrade unterteilt ist. Der Kreisbogen berührt eine Linie (Ebene des Zifferblattes) in der Mitte, beim 0°-Stundenwinkel, dabei bildet die 0°-Linie des Kreisbogens und die Linie der Zifferblattebene einen rechten Winkel von 90°. Man zieht nun Linien durch den Kreisbogen bei den gewählten Stundenlinien (15°, 30°, 45°usw.) und verlängert sie bis zu der Linie der Zifferblattebene. Auf eben diese Weise wurden früher solche Diagramme entworfen (als es noch keine Taschenrechner und Computerprogramme wie Powerpoint gab).
Bei der Kreuzsonnenuhr, die eine Kombination von drei polaren Sonnenuhren ist, gibt es entsprechend drei Schattenwerfer (Gnomones), die beiden Seitenarme des Kreuz-Querbalkens sind nach Osten (zur 6-Uhr-Position) und nach Westen (zur 18-Uhr-Position) gerichtet. Die Spitze des senkrechten Kreuzbalkens von den Querbalken aufwärts ist nach Süden (zur 12-Uhr-Position) gerichtet. Um die Sonnenuhr auf verschiedene geographische Breiten einzustellen, wird das Kreuz gegenüber der Bodenebene verschieden stark gekippt. Dabei liegt das Kreuz genau im gleichen Winkel wie der sogenannte Himmelsäquator. Der Himmelsäquator ist eine Projektion des irdischen Äquators in den Himmel hinein. Auf der Erde kann man den Himmelsäquator nicht sehen, auf dem Saturn, der eine äquatoriale Scheibe von Ringen hat, wäre der Himmelsäquator in Form der Scheibe aus Ringen sichtbar.Am Äquator steht das Kreuz genau senkrecht aufgerichtet (Äquator = 0° N/S: 90° - 0° = 90°).
Am Nordpol liegt das Kreuz waagrecht auf dem Boden (Pol = 90°N: 90° - 90° = 0).
Der Kippwinkel kann allgemein folgendermassen berechnet werden:
Neunzig Grad minus geographische Breite des Aufstellungsortes = Kippwinkel (Höhe des Himmelsäquators).
Beispiel: Basel liegt auf ca. 47,5°N. Es gilt also: 90° - 47,5° = 42,5°.
Das Kreuz muss mit der Bodenebene einen Winkel von 42,5° bilden, um in Basel die richtige Zeit anzuzeigen. Um die Kreuzsonnenuhr auf den richtigen mit dem Aufstellungsort korrespondierenden Kippwinkel kippen zu können, gibt es an der Bodenplatte einen Justierwinkel. Dieser muss in unseren gemässigten Breiten oben etwas beschnitten werden, damit das Kreuz weit genug gekippt werden kann. Dann klemmt man eine Büroklammer am richtigen Grad des Justierwinkels fest und setzt den kreuzförmigen Corpus mit seinem Schlitz auf der Unterseite auf den Justierwinkel.
Ich hoffe, es gibt ein paar Interessenten für die Sonnenuhr. Bald einmal will ich auch eine genaue Anleitung für den „NOAA Solar Calculator“ geben, den ich oben erwähnt habe und der ein wertvolles Werkzeug beim Umgang mit Sonnenuhren ist, da dort alle Daten der Sonnenposition für jeden beliebigen Ort und jede beliebige Zeit einfach abgerufen werden können.
Viel Spass beim Basteln!
Gruß Andi
www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10478673?page=221 ,
Dazu wäre noch zu sagen, dass Gaupps Buch mehrbändig war und wohl in einzelnen Portionen ausgegeben wurde. Ausserdem scheint es auch mindestens 2 verschiedene Ausgaben gegeben zu haben, denn die Kreuzuhr in diesem Digitalisat hat ein anderes Design als meine. Es gibt auch mehrere Digitalisate davon auf dem Netz. Die Bögen sind verschieden zusammengestellt, bei manchen Exemplaren fehlen Seiten, wohl weil sie entnommen und zu Uhren ausgebaut wurden. Falls man selbst eine solche Sonnenuhr oder ein anderes Gerät (wie etwa einen Quadranten von Peter Apian etc.) nachbauen will, empfiehlt es sich, alle verfügbaren Digitalisate zu vergleichen und das beste Bild des Gerätes unter den verfügbaren auszuwählen.
Ein weiteres Problem, das sich bei vielen der abfotografierten Tafeln bietet, sind Verzerrungen, meist dadurch, dass die abfotografierten Blätter nicht ganz plan ausgelegt wurden, sondern gewellt oder zerknittert sind, oder bei grösseren Tafeln, dass sie im Buch zusammengefaltet sind und Knicke aufweisen. Dadurch wird es oft unmöglich, bestimmte Abbildungen für eigene Geräte zu benutzen, denn die Winkel und Abstände der Linien müssen ja genau stimmen.Um dieses Problem einfach zu lösen, habe ich für mein Modell die Liniendiagramme und die Abmasse des Kreuzcorpus neu entworfen und mit dem Design Gaupps zusammengefügt. Die Uhr stimmt also genau, falls beim Zusammenkleben nicht gepfuscht wird.
Diese Sonnenuhr, die Kreuz-Sonnenuhr, kommt ohne Holz- oder Kartoncorpus aus. Die Bilder können heruntergeladen und auf möglichst festes (d.h. dickes und stabiles) Papier ausgedruckt werden. Um sicherzustellen, dass die einzelnen Bilder wirklich gleich gross ausgedruckt werden, und damit die Teile dann auch richtig zusammenpassen, hat jedes Bild aussen am Rand in den Ecken rote rechte Winkel. Um zu prüfen, ob die Bögen masstabsgetreu ausgedruckt wurden, legt man jeweils zwei Bögen aufeinander und hält sie dann gegen das Licht, z.B. gegen ein Fenster, damit das unten liegende Blatt halbtransparent durchscheint. Wenn sich die roten Winkel auf beiden Blättern zur Deckung bringen lassen, sind die Abbildungen masstabsgetreu (dies ist nötig, weil durch das Hochladen aufs Netz, das spätere Herunterladen und durch die Verarbeitung durch den Drucker evtl. Fehler in der Abbildungsgrösse resultieren). Die Uhr wird dann ausgeschnitten, gefaltet und die Teile zusammengeklebt. Oft gibt es bei solchen Faltmodellen Klebelaschen an dem Modell, die einfach auch abgefaltet werden. Da solche bereits mit dem Modell verbundene Klebelaschen aber oft zu Ungenauigkeiten führen, habe ich darauf verzichtet. Die Klebewinkel bei meinem Modell sind nicht schon mit dem Modell verbunden, sondern werden innen eingeklebt.
Es gibt einige verschiedene Typen von Sonnenuhren. Die sogenannte polare Sonnenuhr, die bei der Kreuzuhr verwirklicht wurde, ist wohl der Sonnenuhrentyp, der am einfachsten zu entwerfen ist. Bei einer polaren Sonnenuhr ist das Liniendiagramm universell, d.h. die gleiche Sonnenuhr kann an jedem Ort der Welt verwendet werden.
Ausrichtung der Sonnenuhr zu den Himmelsrichtungen:
Die Uhr wird so aufgestellt, dass die Spitze des Kreuzes nach Süden zeigt und der Fuss des Kreuzes nach Norden. Dadurch zeigen die beiden Kreuzarme nach Ost und West. Die Ausrichtung gelingt entweder mittels eines Magnetkompasses, oder dadurch, dass man die Uhr so aufstellt, dass sie die richtige wahre Ortszeit anzeigt.
Um die aktuelle wahre Ortszeit zu bestimmen, empfehle ich den „NOAA Solar Calculator“:
gml.noaa.gov/grad/solcalc/
Man muss auf der Seite unterhalb der Karte die eigene geographische Position (Longitude = geogr. Länge / Latitude = geogr. Breite) als Dezimalzahl eingeben. Zum Beispiel 47 einhalb Grad sind 47.5° und nicht 47° 30´, kein Komma, sondern einen Punkt benutzen. Bei der Zeitzone (UTC Offset) muss dann + 02:00 stehen. Der Mittagszeitpunkt „Solar Noon“ der wahren Ortszeit zeigt dann an, um welche Uhrzeit (UTC + 02:00) es an diesem Ort 12 Uhr (WOZ) ist.
Der Schattenwerfer einer Sonnenuhr wird „Gnomon“ genannt. Ist der Gnomon nach Süden ausgerichtet, so scheint die Sonne um 12 Uhr (wahre Ortszeit / Sonnenzeit) genau von oben auf ihn und der Gnomon wirft keinen Schatten auf das Zifferblatt (kein Schatten, Stundenwinkel 12:00 = 0°), eine Stunde später, um 13 Uhr, bzw. 1 Uhr pm (post meridiem) ist die Sonne um 15° in Richtung Westen gewandert (Stundenwinkel 13:00 = 15°) und der Gnomon wirft einen kurzen Schatten auf der Ostseite des Zifferblattes. Noch eine Stunde später, um 14:00, ist die Sonne wieder um weitere 15° westlich gewandert (Stundenwinkel 14:00 = 30°), der Schatten des Gnomon auf der Ostseite ist entsprechend länger geworden. Jede weitere Stunde wandert die Sonne um 15° weiter in westliche Richtung und der Schatten des Gnomon wird länger. Am Vormittag bietet sich ein gleiches Bild des Schattens, nur spiegelverkehrt. Bei dem nach Süden zeigenden Gnomon ist der Schatten um 10:00 gleich lang wie um 14:00, nur befindet er sich auf der entgegengesetzten, westlichen Seite des Gnomon (Stundenwinkel 10:00 = 30°), eine Stunde später, um 11:00, wenn die Sonne 15° auf der Ekliptik gewandert ist, hat sich der Schatten verkürzt und ist nun nur noch gleich lang wie um 13:00 (Stundenwinkel 11:00 = 15°). Wenn der Gnomon eine Stunde später, um 12:00, keinen Schatten wirft, ist der Stundenwinkel null Grad. Der Stundenwinkel null Grad liegt immer bei der Stunde, in die der Gnomon ausgerichtet ist. Der Gnomon einer polaren Sonnenuhr muss aber nicht immer nach Süden ausgerichtet sein. Bei der Kreuzsonnenuhr gibt es einen Gnomon, der nach Süden zeigt, sowie einen der nach Ost und einen der nach West zeigt. Bei dem östlichen Gnomon ist um 06:00 der Stundenwinkel 0°, dann jede Stunde 15° mehr (07:00 = Stundenwinkel 15°, 08:00 = Stundenwinkel 30°, 09:00 = Stundenwinkel 45° usw).
Das Liniendiagramm der Stundenlinien ist sehr leicht zu entwerfen. Der Abstand der Stundenlinien entspricht dem Tangens des jeweiligen Stundenwinkels (kann jeder Taschenrechner ausgeben). Der Stundenwinkel, der 3 Stunden von der Position des Gnomon entfernt liegt, beträgt 45°, der Tangens von 45 ist genau 1. Bei dieser Stunde, 3 Stunden östlich oder westlich der Gnomonposition, ist also der Schatten des Gnomon genau gleich lang wie der Gnomon hoch ist, anders gesagt, die Höhe des Gnomon muss gleich der Länge zwischen Stundenwinkel 0° und 45° sein. Ich benutze für solche Entwürfe gern das Programm Powerpoint (Microsoft Office). Man kann einfach den Tangens der Stundenlinien (0°, 15°, 30° usw.) z.B. mit dem Taschenrechner berechnen, die Linien auf den entsprechenden Abständen festlegen und am Ende das gesamte Liniendiagramm als Graphik (als JPEG oder PNG) speichern. Die Länge des Gnomon wird gleich dem Abstand der Stundenlinien der Stundenwinkel 0° bis 45° festgelegt. Wenn man einen Gnomon anderer Höhe verwenden will, muss man das Liniendiagramm nicht neu entwerfen, sondern man kann das vorhandene Diagramm verzerren (auseinanderziehen bzw. zusammenschieben). Ich werde das bald einmal als einfache Anleitung hier posten, aber im Moment geht das nicht, denn ich bin nicht zuhause und der Computer an dem ich hier arbeite, hat kein Powerpoint.
Die geometrische (zeichnerische) Konstruktion des Liniendiagramms ist ebenfalls einfach. Man zeichnet einen Kreisbogen, der in Winkelgrade unterteilt ist. Der Kreisbogen berührt eine Linie (Ebene des Zifferblattes) in der Mitte, beim 0°-Stundenwinkel, dabei bildet die 0°-Linie des Kreisbogens und die Linie der Zifferblattebene einen rechten Winkel von 90°. Man zieht nun Linien durch den Kreisbogen bei den gewählten Stundenlinien (15°, 30°, 45°usw.) und verlängert sie bis zu der Linie der Zifferblattebene. Auf eben diese Weise wurden früher solche Diagramme entworfen (als es noch keine Taschenrechner und Computerprogramme wie Powerpoint gab).
Bei der Kreuzsonnenuhr, die eine Kombination von drei polaren Sonnenuhren ist, gibt es entsprechend drei Schattenwerfer (Gnomones), die beiden Seitenarme des Kreuz-Querbalkens sind nach Osten (zur 6-Uhr-Position) und nach Westen (zur 18-Uhr-Position) gerichtet. Die Spitze des senkrechten Kreuzbalkens von den Querbalken aufwärts ist nach Süden (zur 12-Uhr-Position) gerichtet. Um die Sonnenuhr auf verschiedene geographische Breiten einzustellen, wird das Kreuz gegenüber der Bodenebene verschieden stark gekippt. Dabei liegt das Kreuz genau im gleichen Winkel wie der sogenannte Himmelsäquator. Der Himmelsäquator ist eine Projektion des irdischen Äquators in den Himmel hinein. Auf der Erde kann man den Himmelsäquator nicht sehen, auf dem Saturn, der eine äquatoriale Scheibe von Ringen hat, wäre der Himmelsäquator in Form der Scheibe aus Ringen sichtbar.Am Äquator steht das Kreuz genau senkrecht aufgerichtet (Äquator = 0° N/S: 90° - 0° = 90°).
Am Nordpol liegt das Kreuz waagrecht auf dem Boden (Pol = 90°N: 90° - 90° = 0).
Der Kippwinkel kann allgemein folgendermassen berechnet werden:
Neunzig Grad minus geographische Breite des Aufstellungsortes = Kippwinkel (Höhe des Himmelsäquators).
Beispiel: Basel liegt auf ca. 47,5°N. Es gilt also: 90° - 47,5° = 42,5°.
Das Kreuz muss mit der Bodenebene einen Winkel von 42,5° bilden, um in Basel die richtige Zeit anzuzeigen. Um die Kreuzsonnenuhr auf den richtigen mit dem Aufstellungsort korrespondierenden Kippwinkel kippen zu können, gibt es an der Bodenplatte einen Justierwinkel. Dieser muss in unseren gemässigten Breiten oben etwas beschnitten werden, damit das Kreuz weit genug gekippt werden kann. Dann klemmt man eine Büroklammer am richtigen Grad des Justierwinkels fest und setzt den kreuzförmigen Corpus mit seinem Schlitz auf der Unterseite auf den Justierwinkel.
Ich hoffe, es gibt ein paar Interessenten für die Sonnenuhr. Bald einmal will ich auch eine genaue Anleitung für den „NOAA Solar Calculator“ geben, den ich oben erwähnt habe und der ein wertvolles Werkzeug beim Umgang mit Sonnenuhren ist, da dort alle Daten der Sonnenposition für jeden beliebigen Ort und jede beliebige Zeit einfach abgerufen werden können.
Viel Spass beim Basteln!
Gruß Andi
UTAMOH THUMO
Letzte Änderung: 13 Okt. 2022 10:29 von andi2.
Folgende Benutzer bedankten sich: Ratman, Andreas, grafkrokolinsky, Altwarenfetischist1
Bitte Anmelden um der Konversation beizutreten.
- andi2
- Autor
- Offline
- Gebannt
- Beiträge: 944
- Thanks: 1452
Re: Gnomonik: Polare Sonnenuhr, die Kreuzuhr von Johannes Gaupp (1708), Bastelbogen
13 Okt. 2022 10:38 - 13 Okt. 2022 12:20
Natürlich habe ich auch selbst mehrere dieser Kreuzuhren gebaut, schon deshalb, um meinen Bastelbogen zu testen und Fehler auszumerzen. Hier habe ich einige Fotos von meinem Modell:
Hier noch ein Wikipedia-Artikel über Johannes Gaupp (1667 - 1738), den Autor des Sonnenuhren-Lehrbuchs, aus dem ich das Design für meine Kreuzuhr entnommen habe:
de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Gaupp
Gruss Andi
Hier noch ein Wikipedia-Artikel über Johannes Gaupp (1667 - 1738), den Autor des Sonnenuhren-Lehrbuchs, aus dem ich das Design für meine Kreuzuhr entnommen habe:
de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Gaupp
Gruss Andi
UTAMOH THUMO
Letzte Änderung: 13 Okt. 2022 12:20 von andi2.
Folgende Benutzer bedankten sich: Ratman, ColonelZap, Andreas, grafkrokolinsky, Altwarenfetischist1
Bitte Anmelden um der Konversation beizutreten.
- Ratman
- Offline
- Administrator
- Toolwatch-Lover
- Beiträge: 4925
- Thanks: 6179
Re: Gnomonik: Polare Sonnenuhr, die Kreuzuhr von Johannes Gaupp (1708), Bastelbogen
21 Okt. 2022 23:36
Ein höchst interessantes Thema. Ich habe volle Hochachtung vor Menschen wie Johannes Gaupp, die das alles erforscht und ausgetüftelt haben. Und dann das alles auch noch in eine hübsche Form gebracht haben. Und diese Bastelbögen, eigentlich eine frühe Form des Open Source Gedanken. Hut ab!
“There is more stupidity than hydrogen in the universe, and it has a longer shelf life.”
― Frank Zappa
― Frank Zappa
Folgende Benutzer bedankten sich: grafkrokolinsky, andi2
Bitte Anmelden um der Konversation beizutreten.
- andi2
- Autor
- Offline
- Gebannt
- Beiträge: 944
- Thanks: 1452
Re: Gnomonik: Polare Sonnenuhr, die Kreuzuhr von Johannes Gaupp (1708), Bastelbogen
22 Okt. 2022 00:31 - 22 Okt. 2022 00:32
Diese Bastelbögen sind wahre Schätze. Mehrere Autoren ab ca. 1500 haben das gemacht. Ich habe schon manche Geräte nachgebaut. Die Originale sind leider viel zu teuer, um sie zu kaufen. Zum Glück gibt es manche gute Digitalisate auf dem Netz. Das ist dann wirklich Open Source. Ich habe aber den Eindruck, dass die Bibliotheken nach und nach diese Angebote wieder einschränken, indem sie die Bildqualität (Auflösung) herabsetzen, oder manches wieder vom Netz nehmen.
Google Books digitalisiert ungeheuer viel, aber leider ist das meist total lieblos gemacht. Da werden Seiten so aufgelegt, dass Teile fehlen, oder gefaltete Blätter werden nicht auseinander gefaltet etc. Das nützt dann gar nichts und niemandem. Aber Hauptsache, man hat den Titel gelistet.
Google Books digitalisiert ungeheuer viel, aber leider ist das meist total lieblos gemacht. Da werden Seiten so aufgelegt, dass Teile fehlen, oder gefaltete Blätter werden nicht auseinander gefaltet etc. Das nützt dann gar nichts und niemandem. Aber Hauptsache, man hat den Titel gelistet.
UTAMOH THUMO
Letzte Änderung: 22 Okt. 2022 00:32 von andi2.
Folgende Benutzer bedankten sich: Andreas, grafkrokolinsky
Bitte Anmelden um der Konversation beizutreten.
Ladezeit der Seite: 0.756 Sekunden