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Mein China-Abenteuer / Reisebericht
- keegokies
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Mein China-Abenteuer / Reisebericht
26 Aug. 2019 21:28 - 26 Aug. 2019 23:12Auch eine handvoll erlesene (aber mit schlechten Kameras geschossene) Bilder werden eingefügt.
Vieles ist ja heute noch mit Mythen, Ängsten, Vorurteilen etc behaftet und ich hatte die Chance rüber zu fliegen, das hat ja nicht jeder.
Es wird in etwa so aufgebaut sein, die Reihenfolge wähle ich willkürlich nach Schreibfluss. Fragen sind natürlich jederzeit gerne Willkommen!
Prolog
Anreise
Ankunft
Grund der Reise
Kulturschock
Essen und Trinken, auch Besonderheiten
Gastfreundlichkeit
Spätfolgen
Ich werde gleich mal starten...
Gruß,
AP
keegokies
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- keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
26 Aug. 2019 22:29 - 26 Aug. 2019 23:36Da stand ich nun vor meinem Chef, welcher der Meinung war, dass wir globaler denken und agieren müssen. Ich müsste nur "ja" sagen und er würde mir die Tickets buchen und ein Visum besorgen.
China
Ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder der Schwerkraft keinen Widerstand mehr leisten und den Nervenzusammenbruch einfach geschehen lassen solle.
Meinem Chef war schließlich bekannt, dass ich bis zu meinem letzten Flug in die USA unter Flugangst litt. Und dieser war erst vor kurzem, ich wollte es ruhig angehen lassen.
Jedes Mal wenn wir in einem Flieger saßen hörte ich Motivationssprüche für das Fliegen, wie "Wenn der Propeller abreisst, sind wir die ersten Toten" oder aber "in 12km Höhe, wenn es Bumm macht ist es vorbei". Mein persönliches Highlight war allerdings damals schon "Ich hatte mal einen Kollegen, der hat mit Melanie Thornton den Platz in der Swiss Air getauscht, heute fliegt er nur noch Propeller. Melanie Thornton ist dabei ja gestorben".
Mein vorheriger Flug löste scheinbar meine Flugangst, dennoch zögerte ich noch.
Ich erinnere mich noch heute an den Inlandsflug mit United Airlines von der Ost- an die Westküste der mein Leben für immer veränderte. Wie könnte ich den auch vergessen.
Zuerst einmal waren die unwahrscheinlich freundlichen Einreisebeamten bereits bei der Ankunft in Newark. Wer noch nicht das Glück hatte in die USA zu fliegen, dem empfehle ich die ersten 5 Minuten von Full Metal Jacket. Der durchschnittliche Einreisebeamte ist in etwa vergleichbar. Und überall sind Schilder "2 von 3 Einreisebeamte waren zuvor bei der Army oder den Marines".
(Hier war die Welt noch einigermaßen in Ordnung)
Auf späteren Reisen habe ich zwar auch sehr freundliche Mitarbeiter kennengelernt, aber jede Regel hat bekannterweise auch eine Ausnahme und Leute die sich widersetzen.
Dann war da der Pilot, welcher in einem völlig zerknitterten Hemd in der Tür stand und Augen so schmal wie ein Türschloss hatte. Der war müde. Das sah man.
Ohne ein Wort auszusprechen, einigten wir uns beide, dass wir müde sind. Ich, weil ich zuvor seit weit über 20 Stunden die Augen vor Nervosität nicht zu machen konnte, er, weil US-Piloten teilweise wohl nach Routen bezahlt werden und er diese Strecke einfach mehrfach pro Dienst fliegen muss um sich die Miete zu leisten.
Wir waren uns unausgesprochen einig, dass wir beide nicht sterben wollen, weil wir noch zu jung sind.
Was blieb mir denn auch anderes übrig als in das Gefährt vom Knitterpiloten einzusteigen? Die Firma anrufen und sagen "Ich geh da nicht rein!"?
Ich ging also in die Maschine der größten Fluggesellschaft der Welt und machte mir erst wieder Gedanken, als ich bemerkte, dass sich die Farbe des Teppichs veränderte. Mitten in der economy. Später bemerkte ich auch, dass dieses Flugzeug vorher einer anderen Gesellschaft gehört haben muss, denn die Plastikverkleidungen hatten noch deren Logo.
Alles halb so schlimm für Leute mit Flugangst.
Wenigstens hatte der Sitz Fernsehen.
Und ich hatte ich einen sehr netten Sitznachbarn. Der bemerkte meine Flugangst bereits bevor wir auch nur die Anschnallgurte angelegt hatten und schwallte mich mit gefühlten 800 Wörtern pro Minute auf englisch zu.
Keine Zeit um über irgendwas nachzudenken.
Wir flogen los und ich bestellte mir meinen damals üblichen Flugstart-Startermix: 3 Rotwein. Die Stewardessen dachten noch, dass ich sie nicht verstehen würde, als ich dann drei Finger hob, verstanden sie. Eventuell lag es auch an meinem Englisch...
Mein Nachbar neben mir wurde plötzlich nervös und schoss immer quer über mich gehend Fotos aus dem Fenster. Entweder er hatte vor dem Flug eine Nase genommen, war zu dicht am Treibstoffschlauch vorbei gelaufen oder es hatte einen mir bis dahin noch erfindlichen Grund.
Ich schaute übermüdet und mit meinem letzten Rotwein in der Hand und sah rechts vorne vor dem Flugzeug, und hörte von links: "Das ist eine sehr seltene Wolkenformation, das sieht man nur einmal im Leben, wir nennen sie Thunderhead/Hammerhead, sehr sehr gefährlich" und "Ich bin übrigens Metereologe und habe diese Wolken live noch nicht gesehen".
Links hatte ich also einen extrem quatschenden Wolkenvoyeur, rechts die Wolke und in der Hand auch nichts mehr, da das Flugzeug bereits da anfing sich zu bewegen, als würde man mit einem Kettcar die Eiger Nordwand bergab fahren.
Ich hörte noch vom Kapitän, dass ab sofort nichts mehr serviert wird und wir uns auf einen turbulenten gesamten Flug einstellen müssen da gerade Sturmsaison sei. Für was die Amerikaner alles eine Saison haben.
Während des Fluges wurde mir dann vieles klar:
Erstens: Die wenigsten passen bei der Brace-Position auf. Ich habe eine Vielzahl von Positionen gesehen, die alle dem in der Sicherheitskarte nicht annähernd entsprachen. Das Flugzeug war voll, wirkte aber gruselig leer weil man kaum Köpfe sah.
Zweitens: Auch Footballer weinen.
Drittens: Tragflächen sind flexibel, die können ein Fenster fast verdecken.
Viertens: "Aaaaaaah" ist international.
Fünftens: Mein Fernseher ging nicht. Natürlich nicht. Jackpot.
Während ich also betrachtete, wieviel Flex in so einem Flugzeug ist und den immer wieder stark aufheulenden Turbinen lauschte, verging mir langsam die Lust auf Flugangst. Das macht Spaß. Dem Geschepper einfach lauschen. Hier irgendwelche Dinge die auf den Boden fallen, dort dem Gerumpel unter dem Sitz im Frachtraum. Zwischendurch dem Orgasmus nahen Metereologen zuzuhören.
Auf, ab, links 45 Grad um direkt im Anschluss in gefühlt 0,368 Sekunden um 70 Grad nach rechts abzukippen und Tiefenmeter zu holen, 180 links und hoch. Bewegungen der Compartments betrachten. Klappe auf, Klappe zu. Bumm. Massenträgheit an Körpern live kennenlernen. Hoch runter, Turbinen Vollgas und wieder raus. Zwischendurch mal 1000 ft verlieren um direkt nach wieder aufzusteigen mit Vollgas. Airtime genießen. Trommelwirbel, "Alle Hände in die Luft, Yeah", "Alle Becher in die Luft", noch eine Runde bitte.
Das ist ja nichts anderes als auf der A2 Freitag-nachmittags.
Nachdem der Flug dann komplett vollzogen war, wurde mir weiteres klar:
Sechstens: Auch Piloten schwitzen. Entweder war es bei ihm der kalte Entzug, der Grund seiner Schlossaugen. Oder auch ihm war unwohl sein eigener Passagier zu sein.
Siebtens: Nach den mehreren Stunden Stuka-Flug kann das nächste Highlight nur noch ein Absturz sein, es wird nie wieder so sein.
Ich bin geheilt.
(Der Grund der Qualen, eine Dienstreise. Kann einen auch schlechter treffen!)
Auf dem Rückflug bin ich dann noch vor Start auf dem Vorfeld eingeschlafen... Das war zuvor nicht einmal annähernd der Fall. Auch bei späteren Flügen kam das vorherige Angstgefühl nie wieder. Auf eine perverse Art und Weise ist es lustig den Lehnenklammerern zuzuschauen.
(Fliegen kann mit Entspannung schön sein, hier der Rückflug. Unten sieht man Chicago)
Ich sagte meinem Chef zu. Ich war scharf auf diese Reise. China, ich komme.
Was soll passieren?
Man muss dazu sagen, es gibt keinen expliziten Grund dafür, aber immer wenn mich jemand fragte, wo ich denn hin wolle, war die Antwort klar: China.
keegokies
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- keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
27 Aug. 2019 22:43 - 27 Aug. 2019 23:10Die Flüge wurden gebucht und als allererstes, das konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ablegen, studierte ich die Flugroute als auch die Flugzeuge:
CZ7682 HAJ - AMS
CZ0308 AMS - CAN
Okay, es geht also von Hannover über Amsterdam nach Guangzhou. Nie gehört. Klingt nicht sehr bedeutend. Muss irgendein Dorf sein.
Hinflug mit einer Embraer 190 nach Amsterdam und dann weiter mit einer A330-200.
Wenn man Flugangst hat, dann beschäftigt man sich mit allem. Mir war bewusst, dass die Embraer nichts anderes als eine Sardinenbüchse als Flugzeug getarnt war, als auch die A330 jeweils nur ein Triebwerk pro Tragfläche hat. Bei Vogelschlag und verkatertem Piloten kann aus die Maus sein. Oder besser: Ist aus die Maus. Sehr wahrscheinlich.
Dennoch war ich irgendwie entspannt und freute mich auf den Flug. Das erste Mal.
Lasse ich nachfolgende Flüge Revue passieren, dann kann ich auch nichts negatives über meine Flüge mit Flugzeugen von Airbus sagen. Es waren mir sogar die liebsten, weil bis auf einen fiesen Pfeifton waren es immer die entspanntesten und leisesten Flüge.
Auch heute noch wähle ich, sofern ich die Wahl habe, meine Maschinen immer so aus, dass ich mit Maschinen von Airbus fliege. Ich kann es selbst nicht erklären, aber ich als Individuum fühle mich in denen am wohlsten. Ein bisschen Autismus ist da sicherlich in jedem Menschen.
Sorgen machten mir eher andere Dinge: Hannover Amsterdam ist mit KLM. Die waren auf meiner persönlichen roten Liste, alles war immer pekig, Getränke gab es nur im Joghurtbecher und das Essen rührte man am besten gar nicht an. Okay, nur eine Stunde. Wird schon gehen.
Anschlussflug mit China Southern. Nie gehört. Google befragen.
Damals, vor einer halben Dekade, gab es kurioserweise gar nicht soviele Infos bei Google zu dieser Gesellschaft. Die Website der Gesellschaft selbst war eine Katastrophe, ich entschied mich dazu, einfach alles auf mich zukommen zu lassen. Wird schon. Bear Grylls war auf dem Everest und SAS, und was weiss ich noch, da werde ich wohl mal eben nach China fliegen.
Weiter Google befragt und folgende Info (in etwa gelesen) über China erhalten:
"Insbesondere die junge Bevölkerung spricht und versteht englisch"
Okay, brauche ich mich also um nichts weiter zu kümmern.
Vorsorglich hatte ich mir noch ein ganz einfaches Wörterbuch Chinesisch als auch ein Bildwörterbuch gekauft, sprich ein Buch in dem alles mögliche mit Bildern hinterlegt ist. Bild für Durchfall, Bild für Schwangerschaft, Bild für Polizei, man weiss ja nie.
Bezüglich des Visums hatte sich meine Firma drum gekümmert, der Tag x rückte näher.
Auch Wikipedia spuckte damals nur kuriose Werte und für mich kaum verständliche Infos aus, wie zum Beispiel:
"Im Umkreis des administrativen Stadtgebiets leben 18 Mio Menschen."
WTF.
18 Mio Menschen?
Was ist ein administratives Stadtgebiet?
5 Sätze später war so ziemlich Schluss.
Da muss ein Komma fehlen. Ich bin in Deutschland zur Schule gegangen, wenn da irgendeine Stadt mit 18 Mio Menschen wäre, dann hätte ich sie gehört. Peking kenne ich, Shanghai kenne ich, Hong Kong sagt mir auch noch was, aber Guangzhou? Das muss ein Irrtum sein, soviel Leute leben in NRW, das passt nicht!
Sagte er sich und stieg irgendwann in den Flieger.
Der Flug nach Amsterdam war erwartungsgemäß, schlecht gelaunte Stewards, Wasser im Joghurtbecher und eng. Aber entspannt.
Raus aus der Büchse und laufen. Wer in Amsterdam umsteigt muss Läufer sein. Wie in Frankfurt oder Kopenhagen. Gefühlt endlose Gänge um dann irgendwann entweder viel zu spät oder viel zu früh an seinem Gate zu sein.
Zwischendurch mal wieder eine Sicherheitskontrolle, weil Reise außerhalb außerhalb der EU. So saß ich nun am Flughafen und konnte sehen, wie mein Flieger ankam, natürlich zu spät, ent- und später beladen wurde.
Zu diesem Zeitpunkt war mir nicht einmal bewusst, wie lange der Flug dauert, denn die Flugzeiten habe ich bei Zeitzonenflügen nie verstanden. Ist es die Zeit, die vor Ort ist, oder doch die Zeit des Heimatlandes? So oder so war mir klar: Es wird länger dauern.
Dieses Mal war die Maschine tatsächlich Top in Schuss.
Es standen ein halbes Dutzend Stewardessen und ein Chefsteward im Eingangsbereich. Interessant war nur die Altersstruktur. Während die Stewardessen alle um die 20 Jahre alt waren, war der Chefsteward um die 40. Ein Traum für Männer in der Midlife-Crisis. Umschulung zum Steward bei China Southern.
Nun ist es ja so, dass manche Menschen Glück haben und manche Menschen Pech. Ich stieg also in die Maschine ein, und der Chefsteward kam zu mir und teilte mit, dass ich in die Business-Class dürfte, und verwies mich auf meinen Sitz.
Gleichzeitig sagte er mir allerdings auch, dass wenn der richtige Passagier käme, ich auf meinen Platz müsste.
So saß ich also dort und genoss die Freiheit Business Class fliegen zu dürfen. Bis 3 Minuten vor Abflug. Der richtige Passagier kam und ich war froh, dass er keine Gedanken lesen konnte. Ich wurde gefühlte 300 Reihen nach hinten zu meinem Sitz eskortiert.
Während ich da so durch den Gang geleitet wurde, wurde mir bewusst, dass ich niemanden wahrnahm der ein europäisches Erscheinungsbild hat.
Ich setzte mich in meinen Sitz und es kam schlagartig die Erkenntnis, warum man mich nach vorne verfrachtet hatte, ich rutsche mit meiner Sitzschale aus dem Sitzgestell.
Als Mann von Welt kommt man damit klar, ruft die Stewardess, welche lächelnd die Schale nahm, auf das Gestell legte und davon ging.
Dass dies identisch danach wieder stattfand erspare ich den Lesern, sie lächelte wieder und ging wieder fort.
Ich nahm es wie ein Mann hin und schob ab sofort einfach regelmäßig die Schale wieder selbst in das Gestell. Wird schon. Bear Grylls war auf dem Everest...
Die Maschine war Topp und ich freute mich auf das Fernsehen. Aber zuerst wollte ich eine Runde schlafen. Völlig gerädert wachte ich auf, schaute auf meinen Monitor an der Decke und erkannte, dass wir gerade mal über der Ukraine sind. Das ist ja quasi um die Ecke.
Ergo: Fernseher an. Hmm. Geht nicht. Nach links geschaut: Kein Fernseher. Nach rechts:Kein Fernseher. Hmm. Vielleicht später.
Lesen bildet.
Nachdem ich mittlerweile mein Wörterbuch fast auswendig kannte, 3 Stunden des Fluges vergangen waren, dachte ich mir "Versuch es noch einmal". Ein Satz mit x?...
3 Stunden im Flugzeug ohne Entertainment zu überleben geht, 6 Stunden, da wird man schon langsam rammdösig.
Aus dem gesamten Flugzeug hörte ich Gespräche, von denen ich kein Wort verstand, ich entschied mich einfach wieder zu schlafen.
Nach einer Wahnsinnslänge von ca 20 Minuten Schlaf hörte ich die Stewardess: "Chicken or Beef?". Ich erschrak regelrecht und bis ich verstanden hatte, was sie von mir wollte, waren wieder gefühlte 20 Minuten vergangen.
Ich entschied mich für Beef, erhielt aber Chicken. Zumindest glaube ich es, denn Flugzeugessen gewinnt zwar nie Preise, aber da sah alles genauso aus. Egal wer was bekam, es sah alles identisch aus. Es schmeckte auch weder nach Chicken, noch nach Beef. Es schmeckte nach Reiscracker in Fleischform.
So saß ich da nun. Die Sprache kannte ich nun auswendig, die vorsorglich gekaufte Zeitschrift auch und die Karte im Dach sagte, dass wir irgendwo über Russland seien.
Mittlerweile machte der Flug mich fast fertig, weil es dunkel wurde, innerlich aber noch mittags in mir drin war.
Mein Rücken meldete sich, meine Arschmuskeln wurden taub. Meine Knie waren nicht mehr existent. Die sind über Polen schon ausgestiegen.
Als nächstes starb das Zeitgefühl. Man starrt auf eine Karte mit Orten, welche man noch nie gehört hat, weiss nicht, ob der Flug nun bald vorbei ist oder man noch 3x so lange fliegt.
Man fängt dann an zu rechnen, welches die wahrscheinlichste Variante für die Zeit auf dem Ticket sei:
900kmh x 6 Stunden = x...
Und egal was man rechnet, das Ergebnis lautet: Lange...
Der Mathematiknobelpreis würde sicher an mich gehen.
Die Fluggesellschaften müssen ja immer mehr leisten um die Gäste bei Laune zu halten, China Southern hat sich da etwas ganz besonderes einfallen lassen:
Man schaltet die Fernseher dann frei, wenn man die chinesische Landesgrenze überschreitet. Mit einem Lichtblitz, welcher auch seine Herkunft im Einschlag einer Boden-Luft-Rakete hätte haben können, gingen alle Monitore an und meine zahlreichen Mitflieger begannen daraufhin alles mögliche anzuschauen.
Im Augenwinkel erkannte ich, dass mein Nachbar "The fast and the furious" schaute, was nicht unbedingt meins war, aber besser als nichts.
Ich kann sagen, der Film ist nichts. Oder ich habe die Handlung dieses Teils nicht richtig verstanden, denn der Film war auf chinesisch synchronisiert und untertitelt.
Es gab noch irgendwelche chinesischen Filme, natürlich auch auf chinesisch, das wars.
Ich kann aus Erfahrung sagen, dass das nicht das baldige Ende der Reise ist, denn China ist groß,... Sehr groß, Muskelzerstörend groß.
Und dunkel. Man fliegt also so durch ein Land, welches fast nur dunkel ist, da selbst die Sonne von dannen gezogen ist. Gefangen in Zeit und Raum. Was ist jetzt für ein Tag? Wer bin ich eigentlich?
Zwischendurch kommt mal ein großes helles Licht in Form eines Dorfes, eines Industrieunternehmens oder irgendwas anderes, dann wird es wieder dunkel. Stundenlang. Das war dann für mich das Einschlafprogramm,...
Ich wachte auf, als wir zum Landen ansetzten. Ich schaue raus und sehe Felder,... Felder,... Felder,... Noch mehr Felder,... Zwischenstopp? Notlandung?
20m über den Feldern frage ich mich immer noch, ob das alles seine Richtigkeit hat, aber alle scheinen ganz entspannt, muss wohl.
Die Landebahn kommt, wir setzen auf und ich sehe nichts. Nur Felder und noch mehr Felder im Nebel. Und Reste von Bergen.
Wir rollen, und rollen, und rollen, die Maschine dreht sich irgendwann nach links und ich sehe dutzende China Southern Maschinen und ein riesiges Terminal. Scheint doch alles richtig zu sein.
Draußen ist Nebel und Regen.
Wir rollen zum Hub.
Endlich da. 14/15 Stunden Muskeltest. 6x Sitzschale einlegen.
Ich bin tot. Rebooten.
keegokies
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- keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
28 Aug. 2019 00:00Als Mann von Welt, der mehrfach übel gelaunte Einreisebeamte in den USA erlebt hat, als auch alle Hollywoodklassiker hinsichtlich böser Chinesen kannte, erwartete ich schlimmstes bei der Einreise.
Ich erwartete mit Maschinengewehren ausgestattete Truppen, welche beim kleinsten aus der Reihe tanzen sofort Ihre Macht spielen lassen und mich in einen Kerker werfen, den selbst die Deutsche Botschaft nicht besuchen darf.
Ich stieg also mit einem mulmigen Gefühl aus der Maschine und belebte meine Muskeln, bloß nicht negativ auffallen.
Was dann kam, war das totale Gegenteil. Als Nicht-Chinese wurde ich zu einem getrennten Einreisebereich geleitet, welcher alles andere war. Es war eine riesige Vorhalle, ohne Warteschlangen, hell, mit einer riesigen symbolischen Chinaflagge an der Wand. Ein riesiger ca. 40m breiter "Empfangsbereich" an dem 5 Beamte saßen. Alles offen, kein Panzerglas, keine Wände, nicht einmal "Bitte beachten Sie die Privatsphäre - Aufsteller". Der Mitarbeiter gähnte, lachte und meinte "early in morning" und ich musste lachen.
Ob es auf der chinesischen Seite genauso zugeht wiederzieht sich logischerweise meiner Kenntnis, hier darf jeder selbst philosophieren.
Ich legte meinen Reisepass mit dem Visum hin, er haute seinen Stempel rein und ich durfte direkt durch.
Wie, das wars? 10 Sekunden? Keine Handabdrücke, Kopien des Handys, Beschlagnahme, Durchforstung? Keine Nachfrage ob ich Terrorist sei? Das wars? Hat da einer schon im Frachtraum meinen Koffer durchwühlt, dass ich nichts verbotenes einführe?
Ich war schon fast enttäuscht und direkt im Flughafenbereich angelangt.
Nun begab ich mich auf die Suche nach einem Geldautomaten. Und das dauerte.
Ich sprach die erste Person an die ich fand. Diese konnte kein Englisch, die zweite ebenfalls. Die dritte,... Noch Fragen?
Ich begab mich also alleine auf die Suche nach einem Geldautomaten und irrte von Terminal zu Terminal, bis ich auf die Idee kam, zum Lufthansa-Schalter zu gehen.
Welche Sprache wird wohl am Lufthansa-Schalter in Guangzhou gesprochen? Richtig! Kantonesisch! Und ganz gebrochenes Englisch. Kann man ja drauf kommen.
Ich verstand, dass ich zwei Terminals weiter müsste, dort sei einer, also direkt wieder auf den langen Weg gemacht, die Terminals in Guangzhou sind groß. Dort angekommen war gähnende leere, niemand. Nur ein Mitarbeiter, welcher gerade mit einem Wischmob den Hallenboden putzte. Um seinen Job braucht der sich keine Sorgen zu machen. In 3 Monaten ist er mit der Halle durch, dann geht er rüber.
Natürlich konnte auch er kein Englisch, und es kam mir blitzartig die Idee ihm mein Wörterbuch in die Hand zu geben und auf das Zeichen zu zeigen. Er las und las und las und las. Ca zwei Minuten lang. Immer und immer wieder. Machte irgendwann ein Handzeichen in eine Ecke der Halle, also begab ich mich dort hin.
(Wie ich später erfuhr, können viele Chinesen gar nicht lesen, er war scheinbar einer von denen, ich war in dem Moment nur sehr verwundert darüber.)
Nichts. Außer einem Zeichen, welches man als Geldautomaten interpretieren könnte. Das sagte, man solle runter gehen. Nur war hier die Treppe gesperrt. Also wieder Terminal zurück, runter und wieder retour.
Tatsache, ein Geldautomat.
Ich stehe also vor dem Automaten, stecke die Karte rein und... Chinesische Zeichen... Nichts Bilder, Flaggen, Arabische Schrift, nur Chinesische Zeichen.
Also wieder das Wörterbuch gezückt, Sprache gesucht. Hmm, das Zeichen sieht anders aus. Englisch gesucht, sieht auch anders aus.
Mit einem Mal steht ein Trupp Soldaten hinter mir, lautlos auf einem 10-Mann-Gefährt herangerauscht. Einer von denen fragt mich, ob ich Hilfe brauche. Aufgrund meiner Hilflosigkeit und des Maschinengewehrs in seiner Hand entscheide ich mich dies anzunehmen.
Er legt meine Karte in den Automaten, klickt das erste Zeichen, das zweite Zeichen, das dritte Zeichen und dann soll ich nur noch den Betrag abheben. Ich entscheide mich für 500 Euro in Landeswährung, der Automat rattert und wirft Geld und Karte aus.
Der Soldat springt auf das Gefährt, alle verabschieden sich und fahren davon.
Surreal ist das Wort der Stunde.
Reisenotizen
Notiz 1: Denjenigen, welche auf Reiseportalen schreiben, dass in China Englisch angekommen ist bei erfolgter Rückkehr den Marsch blasen und andere Empfehlungen zum erfinden von alternativen Fakten mitgeben.
Notiz 2: Red Corner mit Harrison Ford ist ein Kackfilm, fern der Realität
Bevor man in Guangzhou in oder aus dem Flughafen kam, musste man zum Sprengstofftest. Dieser fand bei jeder Begehung an jeder Tür statt. Ein Streifen über die Kleidung gezogen, einer über die Hände, dann in einen, ich nenne es mal so, Spektrometer eingelegt, wirklich kein Sprengstoff dabei, dann durfte man gehen.
Ich ging aus dem Terminal und lernte dann den chinesischen Clone von Walter Röhrl kennen. Seines Zeichens hat er es bis zum Taxifahrer gebracht.
Erstes Sightseeing und Erlebnisausfahrt zum Hotel...
keegokies
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- keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
28 Aug. 2019 08:26 - 28 Aug. 2019 13:05Diskussionen, Kommentare etc sind selbstverständlich erlaubt.
In den nächsten Folgen kommt unter anderem:
Faster, harder, China! (Doch noch geschrieben)
Delikatessen zum Mitnehmen - yum yum
Platz ist in der kleinsten Ecke
Ich bin ein Star!
Shopping! Dachte ich!
Gruß,
AP
keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
28 Aug. 2019 12:55 - 28 Aug. 2019 16:42Kaum raus aus dem Gebäude, traf mich direkt der Schlag in Form einer brutalen Luftfeuchtigkeit bei gleichzeitiger Hitze bereits am frühen Morgen.
Ausgelaugt war ich nun in China angekommen und ging meinem damaligen Laster nach: Erstmal eine halbe Schachtel wegrauchen, damit ich wieder lebensfähig bin.
Während ich dort so stand und mich langsam an das Wetter gewöhnte, fuhren eine Vielzahl an Fahrzeugen immer bis zu mir und signalisierten, dass ich einsteigen könne, sie mich fahren würden.
Unwissend hinsichtlich der Legalität tat ich dies natürlich nicht und begab mich auf die Suche nach offiziellen Taxis.
Es standen 3 Fahrer miteinander laut redend und artikulierend an deren Fahrzeugen und es war für Außenstehende nicht erkennbar, ob diese sich nun streiten, über die letzte Fahrt unterhalten oder ob dies schlicht und ergreifend der "normale Ton" ist.
Als sie mich dann bemerkten, zeigte einer auf mich, sie sprachen noch ca 2 Minuten miteinander, dann kam einer auf mich zu und fragte "Taxi?". Als ich bejahte, deutete er an, ich solle einsteigen.
Wie in Deutschland auch, lud er mein Gepäck ein und ich gab ihm die Adresse meines Hotels. Diese Adresse zu beschreiben wäre für mich unmöglich. Er las sie sich durch und es rutschte ihm ein mir unbekanntes Wort raus, es schien ihn aber sehr zu freuen.
Er startete sein Taxameter und wir fuhren mit einem Katapultstart los, nur um 5 Meter später einen letzten Bremstest in Form einer Vollbremsung bei seinen Kollegen zu machen.
Diesen zeigte er dann meinen Ausdruck und die anderen Fahrer bejubelten ihn.
Aus einem unerfindlichen Grund kam mir in dem Moment der Gedanke, dass es etwas weiter weg sein könne.
Sitzt man in einem chinesischen Taxi, fällt einem als erstes der Käfig hinter dem Fahrer auf. Sicherheit scheint dort also ein großes Thema zu sein.
In der Mitte mit einem Fernseher auf dem die ganze Zeit Fernsehen läuft. Direkt zum Start hatte ich die Chance in den Nachrichten die schweren Unfälle des Tages zu sehen und ich muss sagen: Holla, da waren Konstrukte dabei, die Aussahen als wären sie irgendwo auf eine Mine gefahren.
Walter drehte den Motor auf 5000 Umdrehungen und ließ mit gequietsche die Kupplung knallen, um wieder auf 5000 Umdrehungen hochzuziehen und direkt wieder die Kupplung knallen zu lassen, Dritter Gang ebenfalls. Jeweils mit Zwischengas bis zum Limiter.
Nun habe ich selbst bestimmt schon eine Million Kilometer in meinem Leben mit dem Auto gemacht, diese Perfektion in so kurzer Zeit die Gänge zu schalten und die Kupplung schnallen zu lassen bekomme ich nicht hin. Das ist quasi sequentielles schalten für den armen Mann.
Es kam die erste Kurve und ich lernte, wofür der Käfig da ist: Zum festhalten!
Walter ließ sich davon nicht stören und schaffte es bis in den 5ten Gang, um am Ende der Kurve eine Vollbremsung mit quietschenden Reifen hinzulegen, das Fahrwerk ächzte und quietschte. Bodenwellen-Rückenwirbeltest bestanden, als das Fahrwerk durchschlug.
Er schaltete wieder in den zweiten Gang und zog wieder den Gang hoch als wäre er beim Zieleinlauf der Rally Monte Carlo, um im Anschluss direkt wieder zu bremsen.
Wir müssen also der teilenden Straße/Zuführung nach rechts folgen, folgerte ich aus der Krafteinwirkung auf meinen Körper , voller Einschlag nach rechts und mit quietschenden Reifen durch die Kurve.
Während Walter so durch die Kurve fuhr, machte der Wagen eine Neigung, dass ich damit rechnete gleich eine eigene Nennung in den Nachrichten zu erhalten.
Jede Kurve hat ein Ende und so kamen wir auf die Autobahn. Dachte ich. War nur ein Zubringer.
Und dort fahren alle Edelkarossen die man sich nur vorstellen kann. Auf den ersten 5 Kilometern habe ich das gesamte Porsche, Audi und BMW-Spektrum gesehen. Alle Modelle. Damit habe ich nicht gerechnet. Auch italienische Karossen der Preisklasse 250k€+ waren nicht selten unterwegs.
Von wegen es wird nur xingxing, singsong, und itchybitchy gefahren. Alles was in der Welt erhältlich ist, konnte man in 5-15 Minuten sehen.
Okay, Halbwahrheit. Maybach und Bugatti habe ich nicht entdeckt. Ansonsten alles.
Der kleine Motor röhrte währenddessen ungezügelt und es kam 45PS-Sportwagenfeeling auf.
Es fing an zu regnen. Und wenn ich Regen sage, dann meine ich nicht so Kinderregen wie wir ihn kennen. Richtiger Regen.
Walter verzog keine Mine und hielt die Contenance.
Wer bremst verliert, gilt unter Taxifahrern, dieser hier ist definitiv kein Verlierer. Die Zwischenbremsungen waren selten, dann aber brachial. Ich stelle mir eine Vollbremsung in Le Mans auf der Les Hunaudieres-Geraden genau so vor. Nur mit Faktor 20 in der Herausbeschleunigung.
Hätte die Strecke Curbs gehabt, Walter wäre drüber. So schossen wir nur regelmäßig mit einer Handvoll Zentimeter an den Betonwänden und Leitplanken vorbei.
Alle paar Sekunden kam ein Piepser aus dem Taxameter. Piep, Piep, Piep. Ungefähr in der Lautstärke der Kollisionswarnung in einem modernen Fahrzeug. Piep, Piep, Piep.
Nun waren wir auf der richtigen Autobahn und ich bemerkte, dass alle Fahrzeuge ein Tempo fuhren und bei ca 100 kmh ein Limiter reinsprang. Das hindert aber trotzdem nicht daran schneller als andere zu sein, denn: Wer bremst, verliert! Da war doch was!
Wenn also mal wieder alle drei Spuren dicht sind, benutzt man einfach die Hupe, Lichthupe, macht noch ein Handzeichen und eine vierte, fünfte oder sogar sechste Spur auf! So läuft das hier!
Wenn der König der Autobahn kommt, haben die Gehilfen mit ihren LKW, Bussen und sonstigen Gefährten Platz zu machen! Miep, Miep Miep,... Miep Miep,... Piep, Miep, Miep, Miep, Miep, Miep, Miep, Piep,... Da war wieder das Taxameter und es wurde wieder kreativ eine Spur erfunden:
Versteht mich nicht falsch, es gibt dort Fahrschulen. Und Regeln. Diese sind nur scheinbar nicht jedem bekannt.
Alle ca. 1000 Meter gab es dann Polizeifahrzeugattrappen am Straßenrand, welche sogar mit echtem Blaulicht ausgestattet waren:
Schöne Deko, interessiert nur niemanden. Trotzdem fährt man zu viert auf drei Spuren an allem blinkenden vorbei.
Ich lobe diesen Pragmatismus und Ansatz von Energieeinsparung, denn wir wissen ja alle, dass Bremsen und Beschleunigen die wahren Klimakiller sind!
Die Autobahn selbst war der Wahnsinn. Solche Autobahnen gibt es in Deutschland nur Gerüchten nach. Modern, gut ausgebaut, eine Art Mautsystem muss auch vorhanden sein, da regelmäßig Masten, vergleichbar Toll-Collect, aufgebaut waren.
Nach ca 15 Minuten Fahrzeit kamen wir dann in etwas, was wie ein Stadtgebiet wirkte, ab sofort ging die Autobahn als Brücke durch die komplette Stadt weiter.
Walter kämpfte sich durch den dichten Verkehr und es war nicht unüblich, dass in 10 Sekunden 4 verschiedene Spuren inklusive links-rechts-Kurvenkombinationen durchfahren wurde.
Blinken ist nur eine Willenserklärung, das muss nicht beachtet werden, wenn man also mit einem Taxi im toten Winkel fährt, kann man auch noch mit 100 kmh und 10 cm Abstand an Bussen vorbei ziehen.
Auch wird in China scheinbar mehr nach Gehör als Sicht gefahren. Regel 2 der lokalen Verkehrsordnung muss lauten: Fahre so dicht auf wie du kannst, schaffe Platz für mehr Fahrzeuge. So fuhren wir dann teilweise mit einem Abstand von 1m bei Tempo 100 hinter allen möglichen Fahrzeugen. Wenn die vordere Lampe stark rot brennt, musste man einfach nur mit rabiat quietschendem Getöse eine Vollbremsung machen und das Gewicht komplett nach vorne verlagern. 3, 2, 1, Durchschlag, da war er wieder.
Aquaplaning gibt es dort nicht, zumindest scheint es kein bekanntes Phänomen zu sein, so fuhren wir mehrfach über Bodenwellen über die sich Colt Seavers freuen würde um im Anschluss wie beim Sprung von 1m-Brett im Wasserbecken zu landen und erstmal ein paar Meter aufzuschwimmen und teilweise dabei auch die Querrotation des Fahrzeugs mitzunehmen.
Walter war Herr der Lage, indem er in 90-Grad-Schritten gegenlenkte.
Während ich dort also saß und links und rechts nur Betonmauern und Gebäude sah, entschloss ich mich, weiter zu fotografieren und einen neuen Haltepunkt am Käfig zu suchen, da meiner vom Mikroklima etwas feucht wurde.
Es heisst immer, dass im Sozialismus alles farblos sei. Dem ist nicht so.
Vieles ist in Mausgrau, Steingrau, Plattenbaugrau, Ocker, Dunkelocker, Braun, nur um Gerüchten entgegen zu wirken.
Als wir dann stilecht mit Vollgas die Abfahrt nahmen und wild hupend bei Rot die Kreuzung überquerten, waren wir nach ca 45 Minuten Fahrzeit schon am Hotel.
Fahrtkosten waren umgerechnet etwa 12€, ich gab ihm in etwa 20€, er bedankte sich x Male, gab mir noch seine Karte für die Rückfahrt und flog stilecht mit Vollgas von Dannen. Zuvor vergaß er noch fast mein Gepäck und entlud es auf Nachfrage.
Da war ich nun: Hotel. Angekommen.
keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
28 Aug. 2019 18:51Gruß,
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keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
28 Aug. 2019 19:27"Herrlich",...fuhren wir mehrfach über Bodenwellen über die sich Colt Seavers freuen würde um im Anschluss wie beim Sprung von 1m-Brett im Wasserbecken zu landen und erstmal ein paar Meter aufzuschwimmen und teilweise dabei auch die Querrotation des Fahrzeugs mitzunehmen....
dagegen ist Flugangst (die ich auch habe und darum NICHT mehr fliege, jede Std kostete ~1 Jahr Lebenszeit) KiKa.
Was fuhr der Walter für ein Auto?
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
28 Aug. 2019 20:23 - 28 Aug. 2019 20:47Reef schrieb:"Herrlich",...fuhren wir mehrfach über Bodenwellen über die sich Colt Seavers freuen würde um im Anschluss wie beim Sprung von 1m-Brett im Wasserbecken zu landen und erstmal ein paar Meter aufzuschwimmen und teilweise dabei auch die Querrotation des Fahrzeugs mitzunehmen....
dagegen ist Flugangst (die ich auch habe und darum NICHT mehr fliege, jede Std kostete ~1 Jahr Lebenszeit) KiKa.
Was fuhr der Walter für ein Auto?
Ich bin mir ehrlich gesagt nicht mehr ganz sicher.
In meiner Erinnerung war es ein VW Jetta, allerdings noch so ein Modell aus den 80/90ern. Aber: Fast neuwertig.
K.A. ob VW in China noch die alten Modelle produziert(e), so wie den Golf 3 noch vor ein paar Jahren in Südafrika, oder mich meine Erinnerung trügt.
Im Nachgang bin ich später aber auch noch mit folgendem Modell gefahren (Kia?), kommt eventuell auch noch.
So oder so kann ich sagen, dass beide Fahrzeuge extremst billig mit Plastik ausgestattet waren, der hintere Bereich quasi eine Art Wanne, in der man mit dem Kärcher hätte durchgehen können. Vergleichbar den Taxen in den USA.
Das war so billig, nen Wasserkocher mit dem Plastik würde ich retour senden...
Btw hier noch ein Bild einer Thunderhead-Wolke, welche ich erlebt habe. Allerdings war meine weitaus größer als auf dem Bild, was auch an der Flughöhe gelegen haben mag. Ein Monster sage ich, aber sehr beeindruckend, und mir hat es im Nachhinein geholfen - habe gerade mal selbst das erste Mal nach der Wolkenform gegoogelt.
Davor und danach nie eine solche Wolkenform gesehen.
Zitat Wikipedia: "Thunderhead with enough energy can develop into a supercell which can produce strong winds, flash floods, and a lot of lightning."
&
"Cumulonimbus can form alone, in clusters, or along cold front squall lines. These clouds are capable of producing lightning and other dangerous severe weather, such as tornadoes and hailstones."
Gruß,
AP
keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
29 Aug. 2019 09:23 - 29 Aug. 2019 09:24agent_provocateur schrieb: ..., so wie den Golf 3 noch vor ein paar Jahren in Südafrika, ...
AP
/Klugsch...modusan/
Das war aber doch der Golf I als Citygolf in Südafrika.
Sieht man noch relativ häufig, auch wenn die japanischen & sonstigen asiatischen Autos immer mehr werden/wurden
/Klugsch...modusaus/
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- keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
01 Sep. 2019 10:31 - 01 Sep. 2019 10:46Meine Firma hatte darauf geachtet, dass das Hotel „International“ im Namen hatte und so konnte ja nichts schief gehen.
Von außen sah es ganz gut aus und mein späterer Eindruck ist auch durchaus positiv geblieben. Ich ging hinein um einzuchecken.
Im Hotel war es pragmatisch mit dem Checkin: Ich war noch gar nicht am Counter, hinter dem zwei viel zu kleine Chinesen, oder der Tresen war zu groß, saßen, angekommen, da flog mir schon entgegen: „Welcome, Ticket?“.
Geschätztes Alter jeweils 25.
Ich lege also mein Ticket auf den Tresen, einer steht auf und haut erst 2x auf eine Tischglocke, betrachtet mich von oben bis unten, haut nochmal auf die Glocke und ziemlich genau beim dritten Schlag öffnet sich hinter den beiden eine Tür und 3 jüngere Chinesen kommen heraus. Sehr jung. Vielleicht 15.
Ohne ein Wort zu sagen, schnappt sich jeder einen Koffer und ein weiterer Mitarbeiter des Hotels kommt um die Ecke mit einem Schreibbrett in der Hand. Er erhält einen Ausdruck, ich solle ihm folgen.
Jetzt fiel mir auf, dass alle den gleichen Hoteldress trugen. Damit meine ich nicht, dass alle den gleichen Typ Klamotte trugen, ich meine damit, dass sie die gleiche Größe trugen. Der jüngste von allen sah damit aus als könne er direkt zu einem hiphop-Konzert in den 90ern, der älteste, nunja, straff geht immer.
Das Hosenbein beim jüngsten wurde akkurat bis zum Knie umgeschlagen.
Die Farbe braun hätte ich zwar aus psychologischer Sicht nicht gewählt, nunja, andere Länder, andere Farben.
So gingen wir also wie die [strike]Sieben[/strike] Fünf Zwerge in Kolonne durch den Eingangsbereich direkt durch den Speisesaal, was mit „Lunchroom“ kommentiert wurde, ohne Rast und weiterem Kommentar weiter, aus dem Hotel raus in eine Art Innenhof und ich wurde von ca 20 Mitarbeitern überrascht, welche überall etwas taten. Ich sah eine Vielzahl von Gärtnern, welche gerade Palmenblätter sägten, einige wuschen gerade den Hotelbus und wiederum andere fegten die Wege. Alles im Umkreis von ca 20 Metern. Ein Gewusel wie Berlin-Alexanderplatz um 17 Uhr.
Alles überwacht und koordiniert von einer Frau in schwarzem Sakko. Mit Zettel und Stift. Natürlich.
Das Hotel selbst bestand aus einzelnen zweistöckigen Wohnungen bzw. Reihenhäusern. Wir kamen zu meiner, mein Einweiser öffnete die Tür, ging hinein und erläuterte mir die Wohnung, um dann lautlos mit den Kofferträgern wieder zu verschwinden als ich mich kurz umdrehte.
Ich wollte ihm noch etwas Geld geben, weil ich nicht wusste, ob es hier zum guten Ton gehört, das ging aber nicht. Weg waren sie.
Die Koffer selbst wurden akkurat im Eingangsbereich abgestellt.
Hunger. Ich hatte Hunger. So ein bisschen irgendwas aus dem Flieger half mir nicht weiter und ich hatte die Hoffnung, im Kühlschrank irgendwas zu finden. Schokolade, Nüsse, Schweinefleisch süß-sauer, egal was. Es wäre das zeitliche für was auch immer gekommen. Ich öffnete ihn und fand: Wasser. 6 große Flaschen Wasser. Okay, Bad checken, manchmal gibt es ja so Survival-Pakete im Bad und/oder Schokolade. Nichts.
Okay, muss ich mich wohl auf die Suche machen.
Ich ging also zur Lobby um auf englisch zu fragen, wo man denn hier etwas zu essen bekäme. Antwort: Lunchroom geschlossen. Dachte ich mir und deutete auf draußen. Wo mir mit einer Handbewegung angedeutet wurde, ich solle nach rechts gehen. Muss also was um die Ecke sein.
Hungrig und voller Vorfreude begab ich mich also vor das Hotel und schlug meinen Weg nach rechts ein, da war es wieder: Miep, Miep, Miep, Miep, Miep,… Miep, Miep. Gehupe aus allen Ecken und Himmelsrichtungen. Erst jetzt vernahm ich richtig die Vielfalt an Fahrzeugen, die sich eine typische Straße teilen: Menschen mit Handkarren, Tuktuks, Roller, Motorräder, Fahrradfahrer, Autos, LKW und Busse in einer Vielzahl von Ausführungen. Fahrzeuge, welche ich zum Teil noch nie gesehen habe. Ladungssicherung wie ich sie noch nie gesehen habe. Rollerfahrer mit einem Schwein hintendrauf, Lkw mit irgendwelchen Ballen x Meter in die Höhe beladen, professionell mit einer Schnur gesichert. Die Fahrtrichtungen wurden größtenteils eingehalten, nur die Fahrradfahrer und Handkarrenzieher waren noch richtige Outlaws und schienen sich an Fahrtrichtungen nicht zu stören.
Faszinierend. Und das meine ich im Ernst. Faszinierend, dass es nicht alle zwei Sekunden knallt und irgendjemand wie der Wembley-Rasen weggemäht wird.
Auf der anderen Straßenseite sah ich einen seveneleven. Nur wie rüber kommen? Mir war die Nummer noch zu heikel, also entschloss ich mich, dem Rat des Hotels zu folgen. Frogger war nie so meins. Und in der Extreme-Version schon gar nicht.
Ich ging also weiter und bemerkte, dass die Geschäfte hier gar keine Türen bzw. Fenster hatten. Die waren immer offen. Und sehr klein mit 2-5 Quadratmetern. Was es dort genau gab, war nicht wirklich ersichtlich. Es schien wie eine Anhäufung von Läden mit gesammelten Sachen aller Art. Links Shampoo, rechts Wagenheber.
Ich lief weiter. 100m, 500m, 1000m, so langsam dachte ich bereits ans verhungern und umdrehen, da sah ich, dass viele in eine Halle liefen und mit Tüten wieder raus kamen. Ich muss wohl gleich da sein.
Ich stand nun vor der Halle, welche genauo gut auch hätte ein Hangar sein können, auch diese war immer offen. Es kamen mir Gerüche entgegen, unbeschreiblich. Eine Mischung aus sauer, modrig, süß, stechend. Alles war dabei. Geruch eines Asia-Marktes in Extremform. Ich ging in die Höhle der Löwen.
Ich gehe also hinein und erkenne, dass es sich in mindestens grob zwei Bereiche teilt: Grünzeugs und Fleisch. Ich entscheide mich für Fleisch…
Wenn wir hier in Europa an Fleisch denken, dann denken wir vermehrt an Geflügel, Schwein und Rind. Der gemeine Kantonaer denkt bei Fleisch an alles was sich bewegt. Ich hatte es zuvor immer für ein Gerücht gehalten wenn jemand sagte: In China wird alles gegessen. Ich kann sagen: Es wird alles gegessen. In Kanton.
Schlangen, Kröten, irgendwelche Würmer, Schildkröten, Spinnen, Käfer, Fische, Gamba-ähnliches,… alles konnte man kaufen und auf Wunsch auch direkt zubereiten lassen.
Ich war hier raus und begab mich in die Grünzeugecke um 12 Tonnen Orangen, Äpfel oder irgendwas anderes zu kaufen, was ich kannte. Ich hatte keine Lust, mir direkt am Anreisetag den Magen zu verderben oder jetzt Stunden in Trial-and-error zu investieren.
Ich fand alle möglichen Obst- und Gemüsesorten, darunter dutzende Früchte, welche ich noch nie gesehen habe. Ich sah Kohlsorten, die waren gigantisch, Formen die ich nie gesehen habe.
Meine Gedanken kreisten weiter um „Ich werde verhungern“ und nun auch „Ob man das Blattzeug roh essen kann?“.
Ich wurde langsam ziemlich grantig, der Hunger stieg enorm und ich entschied mich zuerst einmal aus der Halle raus zu gehen um den Gerüchen zu entkommen.
In der Halle etwas zu kaufen erledigte sich ob des Sortiments und der für europäer zumindest gewöhnungsbedürftigen Zustände. Gehe ich jetzt weiter, oder versuche ich zum seveneleven zu kommen? Ich entschied mich für zweites und trat auf die Straße, vor mir Autos, hinter mir Autos, Miep, Miep, Miep,… Abstand teilweise nur 30cm,… Ich trat auf der anderen Seite auf den Bürgersteig und musste erstmal wieder rauchen. Stresspegel.
Der seveneleven war ein Paradies. Endlich fand ich Lebensmittel welche ich kannte. Ich kaufte die Auslage leer. Und wie der Raupe Nimmersatt ging es mir übel danach. Ich vermute es war abgelaufen. Oder ich hätte kein Pfund essen sollen.
keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
01 Sep. 2019 12:21Flugangst hatte ich auch mal, die war aber sofort beim Start zu meinem ersten Flug verflogen. Übrigens war mein erster Flug ebenfalls eine Dienstreise, genauso wie die beiden Flüge danach. Beim Einsteigen hatte ich noch Bammel, aber spätestens als die Beschleunigung einsetzte, wich die Flugangst einer Begeisterung. Hätte nie gedacht, dass die so riesig und plump aussehenden Airbusse so eine Beschleunigung hinbekommen
― Frank Zappa
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
01 Sep. 2019 17:20Wenn es Fragen sein sollten, bei denen eine Beantwortung kommt, verweise ich schon auf die Zukunft.
Gruß,
AP
keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
01 Sep. 2019 19:50 - 01 Sep. 2019 20:56Nachdem ich mir ein halbes Kilo Raffaello reinpfiff wurde mir anders. Ich war immer noch hungrig, aber todmüde. Es dauerte nicht lang und ich schlief. Ich hatte mir zwar den Wecker für früh morgens gestellt, aber erwachte im Studentenzeitplan 20 Uhr abends chinesischer Zeit. Mit Mist wäre es positiv beschrieben.
Wie spät es jetzt in Deutschland war, war mir sowas von egal, ich hatte immer noch Hunger und wollte mal ein bisschen von der Umgebung sehen, an Schlaf war nicht zu denken.
Ich ging aus dem Hotel und entschied mich dieses Mal nach links zu gehen. Vom Taxi aus hatte ich bereits gesehen, dass in dieser Richtung die Gebäude größer wurden und rechnete damit, dann irgendeine Form von Essen zu finden.
Ich lief los, kam an eine 8-spurige Kreuzung, entschied mich aber dem Wahnsinn heute fern zu bleiben und lief wieder nach links.
Hier kamen plötzlich ca 5-8 stöckige Gebäude mit einem Eingang und chinesischer Beschriftung. Was drin war konnte man als Außenstehender nicht erkennen.
Es hätte ein Supermarkt sein können, eine Lagerhalle oder aber einfach ein Gefängnis. Beton, chinesische Schrift, das wars. Ich lief weiter und es lief immer so weiter, Klotz, Schrift, Beton.
Nach ca. Einem Kilometer konnte ich eine Menschenansammlung erkennen und dachte mir "da musst du hin". Gesagt getan, plötzlich wurde es im Verhältnis zu vorher voll. Vorher begegnete ich einzelnen Personen, nun war eine Vielzahl vorhanden. Massen.
Ich lief in die Straße und das Leben tobte. Es hätte auch in jeder anderen Stadt sein können. Plötzlich trat man sich auf die Füße.
Restaurant an Restaurant. Zum ersten Mal sah ich auch die berühmten Garküchen an der Straße. Und auch hier gab es wieder alles zu essen, was man sich nur vorstellen kann. Oder vor dem man sich auch ekeln kann. Das gilt auch für die Gerüche.
Gerne hätte ich so manchen Spieß tatsächlich probiert, wollte aber auf gar keinen Fall beruflich ausfallen. Morgen ging es los. Da wollte ich nicht das Symbol „Magendarm“ aus meinem Bilderbuch testen.
Ergo lief ich von Laden zu Laden und entdeckte irgendwann „Rindfleisch mit Zwiebeln“, das kennst du, da kann nicht viel passieren. Da ich der Sprache nicht mächtig war bestellte ich mit zeigen. Ich wusste nicht, was es kostet, also hielt ich verschiedene Geldscheine hin, er wird sich schon den richtigen nehmen. Er nahm gekonnt mein Geld und gab mir andere Scheine zurück, welche ich noch nicht hatte. Zuerst dachte ich „was sind das denn für komische kleine Scheine, das ist doch bestimmt Touriabzocke!“. Als andere Kunden dann identische Mini-Scheine bekamen war die innere Ruhe wieder hergestellt.
Heute muss ich sagen, dass ich mich fast dafür schäme so gedacht zu haben. Typisch Deutsch. Erstmal ans negative denken. Als wenn die Chinesen nur darauf gewartet hätten, endlich einen abzuzocken.
Ich aß von meinem Rindfleisch, beziehungsweise fraß eher wie ein Tier, denn ich bekam Stäbchen… Hatte ich doch an alles gedacht, Perenterol-Familienkur, Kohletabletten, Mückenspray, Munddeo,… einfach an alles, Gabel und Messer habe ich vergessen.
So versuchte ich mich daran mit Stäbchen zu essen, manch ein Chinese schmunzelte. Bis sich irgendwann ein jüngerer Chinese zu mir stellte und mir zeigte, wie man die Stäbchen hielt. Er aß extra langsam und korrigierte meine Fingerhaltung. Fünf Minuten später konnte ich mit Stäbchen essen. Es war zwar keine Ästhetik vorhanden, die Chinesen können das weitaus besser, aber ich war dem Überleben ein Stück näher.
1/5 fiel mir von den Stäbchen, guter Schnitt für das erste Mal.
Nun kann man fragen: Wie war das Essen? Extrem gut. So gut hatte ich zuvor noch nie in einem China-Restaurant gegessen. Geschmacksnuancen von irgendwelchen Gewürzen die ich zuvor nicht kannte und danach auch nie wieder schmeckte.
Da ich hellwach war, beschloss ich weiter zu gehen und dieser Straße zu folgen. Es kamen Restaurant an Restaurant, manche nett, manche aussehend als wäre ich in Saigon, während des Krieges.
Irgendwann ging ein Weg ab in die viele Leute gingen, ich beschloss auch dort hinein zu gehen. Während ich diesem Weg folgte, bemerkte ich, dass er immer schmaler wurde. Überall hingen Nummern, was diese bedeuteten wurde mir erst nach der Reise von einem Chinesen erklärt, es war in dem Moment faszinierend.
Der Weg wurde immer schmaler und zum Schluss war er nur noch knapp 3 Meter breit. Links Hochhaus, rechts Hochhaus, keine Sicht mehr zum Himmel. Ab und an fuhr ein Roller oder Motorrad durch. Das Publikum war gemischt. Von scheinbar einfachen Leuten bis hin zu scheinbar besserer Gesellschaft. Zumindest optisch.
Es wurde auch zunehmend zugemüllter und ich kam mir vor, als wäre ich in einem Slum. Zumindest stellte ich mir das so vor. Auf den Balkonen die ich erkennen konnte war fast immer Wäsche aufgehangen, fast jeder Balkon hatte außen einen Lüfter für die Klimaanlage.
Und mit einem Mal und einem gerade noch begehbaren Spalt endete die Schlucht und ich war in einer anderen Straße, oder war es ein Weg, man konnte es nicht erkennen. Rechts oder links? Ich entschied mich für links, damit ich wieder Richtung Hotel komme.
Hier war es wieder ganz anders. Kleine Häuser, unten immer ein Handwerksbetrieb. Zuerst waren es eine Vielzahl an Schmiedebetrieben, in der irgendwelche glühenden Metalle gehämmert wurden. Per Hand. Zum Teil mit irgendwelchen riesigen Öfen, welche bis unter die Decke gingen. Die Häuserfronten waren auch hier offen, oder man konnte durch offene Türen in die Betriebe schauen.
Es war fast immer identisch: Dunkle Produktionen mit einer Funzel an Beleuchtung. Gefühlt eine 25w-Glühbirne für den gesamten Betrieb. Männer oben ohne am Ofen, die auf irgendwelchen Metallteilen herumhämmerten und schwarz verschmiert waren.
Handwerkerromantik a la Riefenstahl.
Das war der Moment, in dem ich anfing nachzudenken. Über unseren Luxus, wie sehr wir von dieser Seite des Planeten nicht nur kilometertechnisch entfernt sind.
Ich dachte viel über mich und meinen Luxus nach, das sollte den Rest der Reise und danach auch nicht mehr abebben. China hatte mich jetzt schon verändert.
Ein paar hundert Meter weiter und plötzlich waren es keine Metallbetriebe mehr, plötzlich waren es nur noch Webereien. Riesige Webmaschinen, bis 1m an die Wand gebaut, es wurden Stoffe gewebt. Auch hier fast alles offen, man hätte in jeden Betrieb gehen können. Auch hier dunkel mit Funzel an der Wand oder der Decke. Wenige Betriebe mit viel Licht.
Dann folgte Holzhandwerk. Alles hatte seine paar hundert Meter, unterschied sich aber nicht wesentlich.
Irgendwann war auch der Weg zu Ende und ich entschied mich wieder nach links zu gehen. Nach kurzer Zeit sah ich links den Markt… Ich war quasi wieder fast am Hotel.
Nächste Folge: Chinesisches TV-Programm/Internet und „Arbeit“
keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
02 Sep. 2019 20:42 - 02 Sep. 2019 23:44Das Hotelzimmer war bis auf den Umstand, dass es auf zwei Etagen war nicht wirklich anders als wäre man in Berlin, London, Mosambik oder aber halt in Guangzhou.
Es war sauber und hätte egal wessen Hotelnamen haben können. Architektonischer Teilzeitbewohnerzweckbaueinheitsbrei. Weckt dauerhaft keine Emotionen, für ein paar Tage aber aushaltbar.
Die erste Etage war wie üblich ausgestattet: Couch, kein Rolf Benz, eher (China-) Poco und wie überall in der Welt mit dem hässlichsten Muster gesegnet, welches zur Verfügung stand. Darin unterscheiden sich die Hotels in aller Welt nicht.
Meine Theorie besagt ja, dass die unverkauften Reste zur Hotelbestückung genommen werden, ich warte noch auf offizielle Bestätigung, meine Quellen werden nicht verraten.
Nachdem ich bereits in bestimmt 150 Hotels in der Welt übernachtet habe, kann ich tatsächlich auch nur zwei Hotels nennen, welches sich da völlig abhoben. Der Rest: Nicht mein Stil.
Die Dusche war dunkel wie „Anhalter Bahnhof 1988 bei Nacht“, nun gut, das Zimmer war groß genug und manch einer möchte vielleicht seinen Partner auch nicht mehr sehen. Man hätte sich eine Woche aus dem Weg gehen können. Ich selbst konnte mich kaum sehen, wer will sich auch selbst betrachten? Man kennt ja alles.
Da saß ich nun, 22 Uhr. Was macht man da noch? Raus gehen? Wohin? Mit wem? Das Grundübel von Leuten die viel reisen.
Außenstehende denken immer „Hey, du kommst rum in der Welt! Du siehst was!“, dies reduziert sich aber meist auf Bahnhöfe, Flughäfen, Autobahnen und Hotels.
Egal welche Autobahn in Deutschland, ich kenne sie. Egal welcher Bahnhof, identisch. Flughafen,…
Man könnte sogar fast sagen, Reisende betreiben portioniertes Leben in portionierten Einheiten. (Anlehnung an „Fight Club“).
Die Familie weit weg, alle weit weg. Zwölf Stunden Zeitverzögerung. Elf Stunden? Oder doch 14 Stunden? Vor oder zurück?
Wo war ich denn nochmal gestern, wo bin ich morgen? Welcher Tag ist heute? Kognitiver Speicherjetlag.
Man schnappt sich sein Handy und der Erzfeind Roaming wird zum Kampf aufgefordert. Tuut Tuut. Wird wohl arbeiten, wie spät ist es nochmal in Deutschland? Oder habe ich mich schon länger nicht mehr gemeldet?
Wer bin ich?
Was bin ich?
Wo bin ich?
Wieso bin ich?
Ergo kann man sich entweder ein neues Hobby suchen, zum Beispiel Extreme-Saufing, noch 300 Mails beantworten oder aber den Fernseher einschalten.
Emails oder Fernseher, was nehme ich. Fernseher!
Ich schalte den Fernseher ein, was sehe ich? Werbung. Natürlich.
Zuerst eine Werbung für Duschgel mit Bleiche. Während bei uns Bräunung eine Zeitlang Trendy war, bleicht man sich wohl in China. Direkt danach Tütensuppe a la Nissin. Kann ich verstehen, ich war auf dem Markt. Dann erstmal irgendwelche Möbel, Tütensuppe, wieder Bleiche und dann „Oil of Olay“, das chinesische Oil of Olaz.
Laaaangweilig. Nächster Sender.
Krieg. China kämpft gegen… gegen wen eigentlich? Japan?
Umschalten.
Wieder Krieg. Chinesischer Cowboy gegen… irgendein Land oder Trupp. Wtf.
Umschalten.
Bilder von Guangzhou. Nach 3 Minuten durch.
Umschalten.
Irgendeine Soap. Chinesisch. 10 Minuten eine Szene. Arte-Style. Mir zu heftig für diese Zeit.
Umschalten.
Krieg.
Umschalten.
Keine Sender mehr.
Neeeeeeeeeeeeeeeeeeeein, kein CNN, BBC, ZDF, Russia Today, Arte oder Beate Uhse-Kanal? Nichts? Das wars?
Ich entschloss mich zu etwas ganz gewagtem: Ich koppelte mein Tablet mit dem WLAN, öffnete den Browser und sollte irgendwas chinesisches bestätigen. „Wird schon richtig sein“. Youtube gestartet. Es ging. Das Leben geht weiter! (für 2 Minuten) Verbindungsabbruch.
„Ha, Zensur!“, wieder verbunden, wieder Youtube, es geht… zwar in Schneckengeschwindigkeit, aber es ging.
Direkt im Anschluss googelte ich Tiananmen und begab mich auf eine Videoplattform für testosterongesteuerte Notdürftigkeiten. Offen. Das Internet ist offen! Halleluja! Lobet den Herrn und preiset das Internet!
Nicht, dass ich jetzt noch Zeit auf der Videoplattform verbracht hätte, ich war einfach zu tot, aber das Internet schien offen.
Ich schaltete kurz das Datenroaming von meinem Handy ein und eine Vielzahl von WhatsApp-Nachrichten prasselten ein. Nachrichten beantwortet und es kam ein paar Minuten später wieder eine Antwort.
Ich schrieb verschiedenen Leuten, bei denen ich wusste, dass sie immer direkt antworten und auch deren Antworten prasselten ein, nur mit dem Unterschied, dass die Zeitverläufe ungewöhnlich langsam waren.
Ich schrieb, zwei Minuten später Antwort, ich schrieb, zwei Minuten später Antwort.
Ob es Anzeichen von Filterung waren? Keine Ahnung. Es war nur extrem auffällig. Ich schaltete Roaming wieder aus, genug Kohle für nichts verbrannt.
Ich entschied mich wieder den Fernseher einzuschalten. Immer noch Krieg, Krieg, Krieg.
Die Chinesen mussten scheinbar irgendeine Bastion vor den Japanern verteidigen. Zorro kam ihnen zu Hilfe. Bumm Bumm Bumm, da sind die Berserker, sie reissen die Mauer nieder, Bumm Bumm Bumm. Nieder mit den Schurken! Auf den Poden mit den Purschen! Zorro rettet sie alle.
Was für ein Programm. Das haut Sockenlose aus den Socken und ist ein Schenkelklopfer für Leute ohne Beine. Wer da nicht schläft sollte einen Arzt aufsuchen.
Umgeschaltet
Immer noch Krieg
Umgeschaltet
[strike]Deutschland sucht den Superstar[/strike] China sucht den Superstar. 10 Minuten angeschaut. Genau der gleiche Rotz wie in Deutschland. Kennst du einen Superstar, kennst du alle. International gleich.
Umgeschaltet
Krieg
Umgeschaltet
Hmm. Erotik? Nee, GZSZ auf chinesisch
Umgeschaltet
Krieg. Jetzt bleibe ich dabei. BUMM. Bang. Erstürmung. Einer rettet alle, yeah. Was für eine Dramatik.
Nach einer halben Stunde war der Krieg beendet. Jetzt kam was anderes: Es ging um…
Krieg.
Stell dir vor es ist Krieg und keiner schauts an.
SCHNARCH
Nächste Folge: Verhaftung a la China + "Arbeit"
keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
04 Sep. 2019 21:23 - 04 Sep. 2019 22:15Der Wecker klingelt und ich frage mich, wo ich bin.
Orientierungslos.
Immer noch gerädert.
Es kommt mir in den Sinn wo ich bin und mein Hunger sagt mir direkt "Guten Tag!".
Der Plan für heute: Erst einmal frühstücken und dann ab zur Messe.
Was freue ich mich jetzt auf Brötchen, Brot, Würstchen und Speck. Käse und mindestens 250g Schinken, Salami, Spiegelei oder zur Not auch noch ein gekochtes Ei. Dazu einen kräftigen Kaffee.
In Feuerwehrgeschwindigkeit geduscht, rein in die Klamotten und zum Einsatz gesprintet:
Aus dem Weg, ich habe Hunger.
Wo sind die Teller? Wo verdammt sind die Teller??? Ach da, in der Ecke versteckt!
Teller geschnappt und an die Buffetreihe begeben. Hmm. Da bin ich wohl nicht richtig. Umgedreht. Nächste Reihe gesucht und gegenüber noch eine gefunden. Hmm. Wtf. Im Kreis gedreht und eine weitere Reihe gesucht. Gab es nicht.
Erst jetzt nahm ich den Geruch vom Typ Mittagskantine wahr.
In China isst man warm. Wantan am Morgen. Rindfleisch am Morgen. Geflügel am Morgen. Suppe am Morgen.
Um nicht an mir selbst zu zweifeln, schaue ich auf die Uhr:
8 Uhr. Morgens.
Es nicht glaubend laufe ich durch den Speisesaal und suche irgendeine Tür zu einem anderen Raum in dem es „Frühstück“ gibt. Es gab aber keine Tür mehr.
Das kann doch gar nicht sein, war mein Gedanke und ich beschloss Auslage für Auslage abzugehen. Fleisch mit Sauce Nr 1, Fleisch mit Sauce Nr 2, Fleisch mit Sauce Nr 3,… irgendwas fischiges, nur Sauce, nur Reis, Nudeltyp1, Nudeltyp2,… irgendwas dampfgegartes, irgendwas schleimiges, irgendwas grünes, irgendwas Brokkoliverwandtes.
Wie ein verwöhntes Kind wählte ich mein Essen nach Geruch und Aussehen.
So sah mein Teller am Ende aus wie ein buntes Potpourri der Auslage, ohne zu wissen was mich erwartet. Ich biss in das erste Teil, okay, das ist wohl nicht meins.
Schlimm ist, wenn man eine Sache erwartet, aber was anderes erhält. So erging es mir. So erging es mir mit dem halben Teller. Einmal musste ich sogar würgen und ein Tischnachbar, offensichtlich ein Engländer, lachte und sagte etwas im Sinne von „Gestern ging es mir genauso, morgen wird es besser!“.
Ich beschließe Kaffee zu suchen, finde aber nur grünen Tee, Jasmintee, schwarzen Tee.
Ich beschließe, gegen die Lebensverkürzung des Frühstücks mit lebensverlängerndem grünen Tee anzukämpfen.
Zuversicht komme bitte zu mir.
Der Bus fuhr erst in 90 Minuten und ich beschloss noch eine kleine Runde aus dem Hotel zu gehen, ich trat auf die Straße und heute war etwas anders.
Heute muss eine Art Wochenmarkt sein.
Die Bürgersteige waren so schon ziemlich schmal, maximal 1,5m, heute waren sie auf weniger als 1m verkleinert, weil überall Körbe mit Lebensmitteln waren. Zumindest nach chinesischer Auslegung.
(Bürgersteige links die Straße heruntergehend)
Direkt vor meinem Eingang saß ein Mann auf dem Bürgersteig mit einer Kunststoffkiste, wie wir sie aus der Backwarenabteilung kennen, in der allerdings Kaninchen lagen.
Noch lebend.
Füße zusammengebunden.
Quer liegend in Reihe.
6 Stück.
Wie Brotlaibe.
Neben ihm lag ein Holzbrett mit Beil.
Schock am Morgen, ich ging schnell nach rechts weiter, denn mir wurde anders. Mein Resthunger verging mir schlagartig.
Nächster Stand, eine Mutter mit Kleinkind kauft etwas, was aussieht wie eine Mischung aus Würmern und Aalen, ab in die Tüte Knoten rein und weg mit der Tüte. Das Kind freut sich riesig. Ich beschloss umzudrehen. Links bemerkte ich eine kleine Straße, welche ich gestern übersehen hatte.
Heute IST Markttag:
Hier war es für Europäer weniger gewöhnungsbedürftig, sehr viel Gemüse und Obst, aber auch hier gab es vom Frosch bis zur Schildkröte alles zu essen.
Immer noch von den Kaninchen in der Kiste schockiert beschloss ich, heute nicht mehr das Thema zu vertiefen und zurück zum Hotel zu gehen.
Unabhängig davon, "kam ich aber langsam an".
Nacheinander kamen Leute aus verschiedensten Ländern zu dem Hotelbus um wortlos einzusteigen.
Bei Einstieg erhielt man von der Zettelfrau des gestrigen Tages einen Zettel, auf dem die Messehallen, Taxistände und der Busparkplatz mit den Uhrzeiten zur Abholung vermerkt waren. Parkplatz 248, kann ich mir merken. Immer die Zahl verdoppeln war meine Eselsbrücke.
Wir fuhren los und ich sah etwas von der Stadt, dichter Verkehr, wieder viel Miep, Miep, Miep, der Bus klang als würde es ihn gleich zerlegen.
Die Temperatur war bereits auf 30 Grad-Niveau, dafür mit sehr hoher schwüle gesegnet. Mein Hemd war bereits jetzt Nass.
Wir kamen an der Messehalle an und ich war beeindruckt. Ist wohl doch etwas größer hier:
Ich sah im Hintergrund die Skyline, was für ein Anblick!:
Bereits auf der Fahrt über den riesigen Parkplatz bemerkte ich vereinzelt schwarze Busse, hmm, wird wohl Polizei oder Militär sein. Sehr viel von denen.
Hier zehn Busse, dort zehn Busse, dort auch zehn Busse,…
Wir stiegen auf einer freien Fläche aus, sauber, akkurat geschnittene Sträucher, Hecken, es hätte auch in Sanssouci sein können. Der Weg ging an der Hecke entlang zum Eingang. Rechts ca 2,5m hohe Hecke, links 40m bis zu einer Halle, noch 300m, dann geht da eine Rolltreppe hoch.
Ich beschließe noch eine zu rauchen, weil ich mir nicht sicher bin, ob es drinnen erlaubt ist. Ich drehe mich im Kreis, sehe die letzten Reste aus dem Bus steigen, ein älterer Mann kommt uns offensichtlich mit einer Papierrolle entgegen.
3-4m vor uns rollt er die Rolle mit chinesischen Zeichen aus, hält sie in die Luft und fängt an, sehr laut zu reden. Mein erster Gedanke: Auch hier gibt es Verrückte!
Hinter mir extrem laut: Trillerpfeife.
Ab da ging es schnell:
Ca. 5 Sekunden später springen, nicht klettern, nein springen, 6-7 Polizisten/Soldaten über die Hecke. Synchron wie man es maximal hinbekommen kann. Souverän, ohne Regung oder Stresswirkung.
Während ich noch da stehe und mich frage, wie sie da rüber sind, sehe ich wie einer einen Arm nimmt, ein anderer den anderen, wiederum ein anderer ein Bein,… der letzte hält den Mund zu. Keine Gewalt, gar nichts. Kein Ton, jeder wusste, was zu tun war.
Stille.
Alle, die wir da so stehen sind fast erstarrt und gleichzeitig zollen wir Tribut an diese "Leistung".
Wie reagiert man, wenn jemand anderes so verhaftet wird? Weitergehen? Umdrehen? Nach der Uhrzeit fragen? Davon steht nichts in irgendwelchen Reiseführern.
Ein Wort des Mannes mit der Trillerpfeife, er hebt das Plakat auf, der Mann wird stechschrittähnlich weggetragen.
Stille.
30 Sekunden lang.
Der Mann wird um die Hecke herumgetragen.
Kein Mucks, kein Ton, nur die Schritte hört man.
Noch heute frage ich mich, was auf dem Plakat stand, was er sagte. Auch was mit ihm in der Folge passiert ist. Noch heute denke ich daran, wie koordiniert das Ganze war. Noch heute frage ich mich, wie oft sowas passiert. Oder ob unsere Polizei oder unser Militär auch so trainiert ist. Noch heute frage ich mich, ob ihm bewusst war, was er tat, oder ob es nach unserer Definition eine Lapalie war.
Jetzt, wo momentan die Lage in Hong Kong wieder angespannter ist, muss ich wieder öfter an ihn denken.
Hat man sowas oder ähnliches erlebt, dann sieht man die Welt plötzlich mit anderen Augen, dann hinterfragt man mehr. Mehr, als man vielleicht eh schon hinterfragt.
Wir gehen alle zum Eingang, wieder Polizei/Militär in einer Art Zelteingang, Durchleuchtung, Prüfung auf Waffen, wie am Flughafen, alle haben gute Laune, das merkt man. Besucher, Polizei, Militär, alle. Geredet wird trotzdem kaum. Bei jeder Gruppe immer eine Art Supervisor im Hintergrund der alles beobachtet.
Kontrolle vollzogen, ab zur Besucheranmeldung. Schlange stehen, Zettel ausfüllen, Pass vorlegen, Foto wird gemacht, Schein mit Nummer erhalten, wieder anstellen, Umhängeausweis mit Foto bekommen.
Ich bin auf vielen Messen gewesen, dieses Prozedere war mir neu.
Wir gehen rein in die 中国进出口商品交易会。
Nächste Folge: "How many Containers per month?" / groß, größer, China
keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
09 Sep. 2019 18:03Aktuell lässt mein kleines Brain aufgrund des Arbeitspensums kaum große Gedanken zu ("Wie war das nochmal vor 5 Jahren? Was hatte er gesagt? Wie war die Reihenfolge?").
Je länger ich über manche Sachen nachdenke, umso mehr Anekdoten kommen, es kann nur großartig werden!
Gruß,
AP
keegokies
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Re: Mein China-Abenteuer / Reisebericht
29 Okt. 2019 14:09Ansonsten: Geduld, kommt noch!
Gruß,
keegokies
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